Gang Gang Dance – Kazuashita
Sehr schön, dass es das eigenwillige Kollektiv aus Manhattan also überhaupt noch gibt. Abseits davon verweigert das mysteriöse Kazuashita allerdings gravierendere Erkenntniswerte konsequent und kommt nicht zum Punkt.
Knapp sieben Jahre ist es her, dass sich Gang Gang Dance von der Bildfläche verabschiedeten – ausgerechnet mit (dem wahlweise als hauseigenen Meisterwerk durchgehenden) Eye Contact, einer der faszinierendsten Platten des Jahres 2011. Seit damals gab es zwar vereinzelte Lebenszeichen einzelner Mitglieder des zwanglos zwischen Indietronica, Neo Psychedelica und experimentellen Pop kreisenden Quartetts (beispielsweise Brian DeGraws Debütalbum SUM/ONE unter dem Banner bEEdEEgEE), doch über die Zukunft von Gang Gang Dance selbst herrschte angesichts der anhaltenden Funkstille massives Rätselraten.
Bezeichnend irgendwo, dass dies nach Kazuashita nun im Grund nicht wirklich anders ist, entlassen die versammelten 43 Minuten doch nicht schlauer. Im Gegenteil: Das sechste Studioalbum von Gang Gang Dance ist immer noch ein exotisch unverkennbares Original im Signaturesound, aber eben auch mittlerweile vom Rest der Welt klangtechnisch eingeholt worden – was das beinahe paradoxe Flair eines retrofuturistischen Zeittunnels erzeugt und das Songwriting dabei auf surreale Art nostalgisch und bittersüß in Trance transzentiert. Kazuashita ist ein kunstvolles Geflecht voller loser Fäden geworden; ein New Age-Halluzinogen, weitestgehend ohne offenkundiges Interesse an konkreten Formen, zugänglichen oder verdaulichen Konturen, das sich mit Fortdauer weiter denn je von konventionellen Strukturen löst.
Das wird alleine schon dadurch ersichtlich, dass ein Teil der Trackliste alleine titeltechnisch gar nicht erst vorgibt, etwas anderes als eine lose Sammlung homogener Intermezzi für den homogenen Gesamtfluss zu sein: ( infirma terrae ) fährt die Maschinen schillernd verspult hoch, während ( birth canal ) zwischen Field Recordings und Sprachsamples dezidiert den Ambient forciert und wie ( novae terrae ) eher als Bindemittel von Kazuashita funktioniert. Selbst ein Snake Dub wirkt jedoch wie ein unkoordiniertes Interlude, während auch das leger pluckernde und stacksenden Too Much, Too Soon eher Ahnung bleibt, als zu Ende gedacht werden zu wollen.
Kaum griffiger geht es sogar im Titelsong der Platte zu: Kazuashita ist eine Collage aus Tablas samt latenten Weltmusik-Flair und nebulöser Clubmusic, gleichzeitig unentschlossen, aber anziehend. Die Skizze eines Songs, der nur im Kontext Sinn ergibt, aber eben trotzdem mehr Schärfe und Kante vertragen könnte, um tatsächlich zu zünden. Stattdessen übersteigert sie die ziellose, Gang Gang Dance-typische Unverbindlichkeit, die Angesicht der bisherigen Discografie einer niemals festzumachenden Band diesmal dennoch enttäuschen kann, weil sie nun nicht nur weniger konkret entlohnt, sondern auch die subversiv magisch erblühenden Momente auslässt.
Frustrierend kann das zudem werden, wenn Kazuashita in seinen besten Momenten relativ mühelos vorführt, zu welchen Höchstleistungen die weiterhin unvergleichbar klingenden Gang Gang Dance in ihrem ureigenen immer noch fähig sind.
J-TREE stellt sich friedfertig mit lockerem Rhythmus vor, folgt kaum greifbar werdend den Trademarks der Band, lässt das Piano und die Gitarren wie Ethno-Morgentau über den Beat tröpfeln und Lizzi Bougatsos patentiert eigenwillige, naiv-verspielte Stimme schwelgen und bringt damit ein sanftes erwachen, das den Sack niemals zumachen will, hinter der Unverbindlichkeit aber feine Melodien hofiert. Grimes, Chvrches und Co. müssen dem ikonischen Sounddesign der Band für immer dankbar sein – und Gang Gang Dance selbst könnten sich mit mehr Fokus dankbar auf diesen Errungenschaften ausruhen. Noch großartiger übernimmt das überragende Lotus als balearische Interpretation von The Invisible mit seinem grandios abgestimmten Zusammenspiel aus ambienten Gitarren und sphärischen Synthies, lockeren Rhythmen und hinterrücks kommenden Eingängigkeit. Irgendwann bewegt sich die prädestinierte Single tänzelnder, bleibt flüchtig und unwirklich, eigenwillig, funkelt neonfärbig, aber beruhigend.
Die qualitativ nachlassende dritte Vorabsingle Young Boy (Marika in Amerika) beginnt dagegen geheimnisvoll wie eine Schatzsuche der Goonies und täuscht damit die schmalzige 80er Softrock-Ballade an, wechselt dann aber gefinkelt die Auslage und pumpt mit karibisch-trappigen Beats, switcht permanent Tempo und Gewicht, ist nervös und entschleunigt, deutet große Melodien und smarte Hooks an, denkt aber immer mindestens drei Ecken um die Zugänglichkeit weiter – und verliert dabei selbst die Orientierung.
Nicht nur durch Charakterleistungen wie dieser gibt einem Kazuashita allerdings, was einem keine andere Platte seit Eye Contact geben konnte. Und dennoch ist das gefühlte Comeback von Gang Gang Dance trotzdem keineswegs das Schaulaufen geworden, auf das man mit schwindender Intensität all die Jahre über gewartet hat. Weil das Album eher nebenbei begleitet und unterspülend den Hintergrund dominiert, als den tatsächlichen Wunsch zu entfesseln, diesmal unbedingt hinter die Klangwelt und Ideen von Gang Gang Dance steigen zu müssen. Der Rausch bleibt optional.
Symptomatisch dafür bremst das verträumt-pulsierende Salve on the Sorrow sich immer mehr selber aus, verliert sich im knöpfchendrehenden Salat einer makellosen Produktion und verschwindet eindrucksloser, als wahrscheinlich beabsichtigt. Zwar hinterlässt dies durchaus Neugierde, diese ominöse Platte erkunden zu wollen, doch bleibt diese wie Kazuashita selbst primär zwanglos.
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