Gallows – Gallows
von Oliver am 5. September 2012 in Album
Understatement war noch nie Ding der Londoner Punk-Brut, warum also mit neuem Sänger aus Übersee damit anfangen? Elfmal voll auf die Zwöf in dreiunddreißig Minuten kann man eben auch mit Ex-Alexisonfire Hintermann Wade MacNeil.
Nach der plakativ benannten ‚Death is Birth‚-EP knallen Gallows dazu gleich den ultimativen „Das-bringt-unsere-Essenz-auf-den-Punkt“-Albumtitel in den wild um sich schlagenden Pit vor der verschwitzten Bühn -, und können sich diese vielsagende Geste trotz der Umbesetzung am wohl markantesten Posten auch erlauben. Die wild gewordene Rampensau Frank Carter ist seit Mitte 2011 bekanntlich weg, das schon lange zuvor prolongierte Bandende haben Laurent „Lags“ Barnard, Bruder Steph Carter, Stuart Gili-Ross und Lee Barratt eben nicht mitgemacht. Oder besser: die Transformation von einer der vielversprechendsten Punkkapellen Englands zu einer straighten Rockvariation der Queens of the Stone Age. Warum sich die beiden Parteien letztendlich auseinanderdividieren mussten, weiß man spätestens mit ‚Gallows‚ und vor allem Dank der Vorboten von Pure Love, Frank Carters neuer Band. Dass sich Gallows auf ihrer selbstbetitelten nicht nur in ‚Outside Art‚ und darüber hinaus ebenfalls zahlreiche unerbittlich rockende Momente gegönnt haben, muss man vielleicht trotzdem weniger als Seitenhieb, denn als nachvollziehbaren Evolutionsbogen verstehen. Denn soviel sei vorweggenommen: die Annahme, dass Gallows ihre Gangart doch überzeugender durchziehen als Pure Love, steht nach der vielbeäugten und letztendlich als bestätigenden Triumph zu verstehende Comebackplatte deutlich an die Wand gekotzt.
Dass da wenig schief gehen konnte, schien dem Gallows-Torso nach der Fusion mit Alexisonfire Gitarrist und Black Lungs-Shouter Wade MacNeil schnell klar gewesen zu sein. Deswegen wird der auf der noch leicht unausgegorenen ‚Death is Birth‚-EP eingeschlagene Weg auch konsequent weiterverfolgt, nur an den Feinjustierungen wurde gearbeitet. Bulldogge MacNeil klingt immer noch kein bisschen nach erzwungenen Ersatz für Wadenbeißer Carter, aber natürlich trotzdem stark nach Landsmann Damian Abraham von den unwerfenden Fucked Up – die instrumentalen Gallows allerdings weniger nach Every Time I Die, als wieder stärker nach sich selbst: ‚Gallows‚ inhaliert den rotzigen Spirit des unerreichbaren Offenbahrungseides ‚Orchestra of Wolves‚, behält nebst der dichten, beinahe US-Metal-benachbarten Produktion die Vielseitigkeit des lahmenden Ambitionsbrockens ‚Grey Britain‚ und kehrt dazu die verloren geglaubte, unmittelbar energische Herangehensweise der Band an Hardcore und Punk hervor, jedwede Streichersektion hat man nach gekappten Deal bei Warner zurückgelassen. Abgesehen von einigen wenigen Samplespielereien und einem knappen Kinderchor malt ‚Gallows‚ also das unkarschierte Bild von fünf gestandenen Typen im Proberaum und deren purer Lust an harter, roher, direkter Musik.
„In Us We Trust“ eben, wie es in ‚Victim Culture‚ heißt. Zum unterstreichen heftet die schnell zur neuerlichen Einheit vernähte Kombo an zahlreichen Ecken und Kanten selbstbewusste Gang-Chants, die vor der kochenden Bühne erst ihre wahre Sprengkraft entfalten werden. Schon auf Platte formidabel funktionieren dazu all die mitreißende Ohrwurmparts (!), haben sie davon dazu doch so einige in petto, ‚Vapid Adolescent Blues'(!), ‚Everybody Loves You (When You’re Dead)‚ oder ‚Cult of Mary‚ sind nur drei von eigentlich zwölf solchen Songs, die in all ihrer rasanten Schlacht aus schmutzigen Riffs – überhaupt der markanten Gitarrenarbeit – und bretternden Rhythmen den Drang zur Circle Pit Hymne nie vergessen wollen. Noch besser wird das eigentlich nur noch in ungezügelten Abfahrten wie ‚Austere‚. Dass der ungezügelte Hardcore-Punk Rausch mit der Neubesetzung auch seine lokale englische Färbung verliert, öffnet zusätzliche Türen: MacNeil ist sicherlich nicht der charismatischste Sänger, hält die Dinge aber offener und unkonkreter, wie in ‚Last June‚ gerne aber ebenso politisch ambitioniert, wer das Mikro erwischt darf also in jedem Fall mitgröhlen: „You can stare at a car crash/But it’ll stare right back„. Ob da tatsächlich Trennungsaufarbeitung anfängt, spielt nach all dem ausgeschütteten Adrenalin keine Rolle mehr. Gallows ticken in dieser Konstellation weniger eigenständig, aber ebenso energiegeladen aus wie in Anfangstagen. „Victim culture’s on the rise!“ skandiert die nicht unterzugkriegende Gang geht ans Eingemachte und behält damit Recht. Haben sie doch jetzt ihren Standort bestimmt, ihre Einstellung klargemacht. In dieser Form können sich die „neuen“ Gallows sogar an die Genrespitze prügeln.
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