Full of Hell & Primitive Man – Suffocating Hallucination
Full of Hell können mit Suffocating Hallucination auch endlich eine Zusammenarbeit mit Primitive Man auf ihrem amikalen Kooperations-Bingo abhaken. Hoffentlich übrigens nur die erste Partnerübung von noch weiteren nachfolgenden.
Interessant ist dabei der Fakt, dass Dylan Walker und Co. im Gegensatz zu den Kollaborations-Platten mit u.a. Merzbow und The Body diesmal einen Schritt zurücktreten und nicht die zentrale Rolle übernehmen, sondern Full of Hell gewissermaßen als eine Art Entwicklungshelfer im Gespann fungieren, um die stilistischen Gepflogenheiten von Primitive Man durch Suffocating Hallucination auf eine breitere Basis weiterzudenken. Für ein Album, das sich erst wie das etwas unausgegorene Abtasten samt überzeugender Zugeständnissen auf den größten gemeinsamen Nenner anfühlt, bevor die bockstarke Chemie der beiden Parteien ihre Synergie entfaltet und ihre Mitte findet, die potenzierenden Stärken jenseits des Hoheitsgebiets von Ethan Lee McCarthy Jonathan und Joe Linden aufzeigen, ohne sie bereits vollends auszuschöpfen.
Soll im Umkehrschluss heißen: Suffocating Hallucination mutet über weite Strecken erst wie ein Warm-Up an – allerdings eben zum einen als solches, dessen Weg Anhängern der beiden beteiligten Gruppen praktisch ansatzlos zusagen sollte; und zum anderen auch derart ausgelegt, dass es mit einem wirklich befriedigenden Evolutions-Bewusstsein im organischen Verlauf mitnimmt. Gleichberechtigung ist dabei kein zwingendes Ziel.
Trepanation for Future Joys beginnt unter der prägenden Dominanz von Primitive Man wie Sumac, schlängelt sich im heavy schabenden Feedback, greint und keift und brüllt als Doppel der Stimmbandbestien im zähen Lavastrom, zumal die Riffs exemplarisch höchstens als von Säure zerfressene Klumpen zersetzen und texturieren, malmen und braten und fauchen und fiepen. Die Rhythmen der Schlagzeuge kommunizieren schwer miteinander verflochtene Melvins-Wucht, von ein paar elektronischen Viren zwischen den Zeilen infiziert, bevor der Opener in ritualistischer Trance einen schamanenhaften, hypnotischen Stoizismus in Rückkoppelungen dort ausbluten lässt, wo Full of Hell als Feature auf einer Primitive Man-Platte entlang der Erwartungshaltung das Spektrum gelockert hätten.
Rubble Home nimmt als Rahmen dagegen ein finsteres Blues-Country-Motiv a la beschwingte Earth, rollt später groovend in aller Geduld und schikaniert dann mit nervös hyperventilierend tickenden Ausläufer der sludgy of hell-Attacken, wo McCarthy und Konsorten sich wohl genug fühlen, um ihre Komfortzone auszubreiten. Das schmutzige Deathgrind-Inferno Bludgeon ist danach kompositionell gesehen als ziemliche 08/15-Entladung ein wenig inspirierter Kompromiss – aber eben über knapp 25 Sekunden zumindest sehr effektiv die Rübe freiblas(t)end.
Danach wächst Suffocating Hallucination nämlich über die doomigen Horizonte der nihilistischen Alpträume Immersion (2020) und Insurmountable (2022) hinaus. Dwindling Will ist ein Dark Ambient-Soundtrack über subtile, aber reichhaltige Atmosphäre-Flächen ziselierter Abgründe, deren Einsamkeit eine angenehme Geborgenheit bietet. Unaufdringlich und mit klarer Hand artikuliert.
Tunnels to God nimmt den Faden dort nahtlos auf, ihn jedoch optimistischer und, ja, tatsächlich schöner schimmernd zeigend, den tollen Fluß destillierend. Primitive Man lassen sich dazu verführen wie eine Swans-Seance zu treiben, eine cinematographische Dramatik zu erzeugen, kontemplativ wogend mit betörend heulendem Gitarrenmotiv den Kreis zu schließen, bis in die Kakophonie – dabei aber eigentlich die Büchse der Pandora zu öffnen und all das mögliche Potential zu skizzieren: Full of Hell bringen vor allem hier eine Tragfähigkeit und Balance in den Sound, indem sie den sonst nur zu verschiedenen Härtegraden und Extremen der Bestrafung variierenden Morast von Primitive Man eine beinahe leicht erhebende, melodische und versöhnliche Komponente hinzufügen. Insofern kann es durchaus sein, dass das Gespann den Lohn ihrer Annäherung erst auf einem hoffentlich kommenden Nachfolge-Werk wirklich ernten wird – nicht nur die abschließenden 18 Minuten dieser Kooperation lassen damit aber jetzt schon verdammt gut leben.
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