Full of Hell – Garden of Burning Apparitions

von am 5. Oktober 2021 in Album

Full of Hell –  Garden of Burning Apparitions

Das religionskritische Kaleidoskop Garden of Burning Apparitions ist nicht das anvisierte Noiserock-Midtempo-Album für Full of Hell geworden – sondern eine Kerosinschub für angestammte Tugenden, der aber auch Platz für eine variablere Bandbreite lässt.

I think it’s good that we tried not to pigeonhole ourselves early on. Because now, 10 years in, we have the opportunity to make whatever record we want, within reason, and people will follow along.” Es dauert ein wenig, um zu erfassen, was genau Dylan Walker meint, wenn er sich und seiner Band eine gewisse Narrenfreiheit bescheinigt, die Full of Hell nun, auf ihrem fünften Solo-Studioalbum, tun und machen ließe, worauf sie Lust haben.
Grundlegend stimmt die Aussage zwar sicherlich, lässt es jedoch zum Einen so erscheinen, als hätte sich die Gruppe aus Ocean City bisher stilistisch an Konventionen gehalten. Zum Anderen wirkt Garden of Burning Apparitions gerade in Relation zu den beiden direkten Vorgängern Trumpeting Ecstasy (2017) und Weeping Choir (2019) zumindest auf den ersten Blick eher auf die Kernkompetenzen aus Harsh Noise sowie Grind- und Deathcore konzentriert. (Aber gut, bei all den Projekten, die das Quartett abseits dieser Spielwiese hier noch hat, ist irgendwo klar, dass durch diese Ventile nicht nur neue Impulse den Weg in den Kosmos finden, sondern auch mancher Dampf anderswo raus kommt).

Dabei waren Full of Hell ästhetisch und assoziativ gefühlt noch nie derart nahe an Converge (rund um Jane Doe) und Discordance Axis dran, wenn Guided Blight chaotisch kreischend und growlend und brüllend ballert, die Gitarren in Asphyxiant Blessing gniedeln und sich galoppierend zu einer bösen Majestät auftürmen. Burning Apparition zeigt zwar eher die Lehren von Nasum aus dem Blickwinkel des Powerviolence, während der sekundenschnelle Standard Eroding Shell die tolle instrumentale Arbeit in die Auslage stellt, die generell brillant ist: Technisch ist Garden of Burning Apparitions konzentriert und versiert wie wenig zuvor im eigenen Haushalt, das Schlagzeug und die (erstmals variabel gestimmten) Saiteninstrumente erzeugen eine so akribische wie aggressive Präsenz, die Vocals von Walker spielen sich sowieso an der Spitze des Genres ab.
Mag sich ein Non-Atomism als diffuses, die Drums freidrehen lassendes Quasi-Interlude in der Nähe von Phoenix in Flames ebenfalls (jedoch rdundanter) vor immanenten Vorbildern verbeugen, fällt auch dieses zweite der beiden Harsh Noise-Stücke von Garden of Burning Apparitions nicht restlos stimmig in den Fluß passend aus der restlichen Stringenz. Bereits das ambientere, an sich bessere, weil substantiellere Derelict Satellite – ein feucht speiender Industrial-Mahlstrom aus Störgeräusche und in Säure aufgelöster Katharsis – taucht ein wenig willkürlich auf, und verdeutlicht, dass dieses Album tatsächlich macht, was es will, dabei aber phasenweise seine klare Linie verliert und nicht die erfüllenden Spannungsbögen seiner Vorgänger anbietet.

Es spielt etwa sicherlich auch eine Rolle, dass Full of Hell diesmal nicht auf spektakuläre Features setzen, die explizit ausbrechende und den Verlauf lenkende Höhepunkte provozieren, wie das zuletzt mit Nicole Dollanger und einem verabschiedenden Sludge-Monstrum oder mehr noch mit LINGUA IGNOTA der Fall war, sondern auf geradezu subversive Gastbeiträge setzen, die sich diesmal weniger in der Gravitation, als in den Texturen auswirken: Neben Elektroniker Ryan Bloomer (in Derelict Satellite) taucht Klarinettenspielerin Shoshana Rosenberg, kaum greifbar jedoch, im Delay-Radau von Murmuring Foul Spring auf. Prägender ist Bassist Sam DiGristine, der All Bells Ringing (das über eine herrlich zerschossene Gitarre auftrumpft) mit seinem Verlangen als Saxofonist zu schraffieren einen Horror-Ausklang a la Mother! bereitet.
Einzig: So konsequent wie auf Language of Molting Cherubs, welches dann ja auch noch einen schlüssigen, nahtlos assimilierten Schulterschluss zum ambienten Noise gefunden hatte, und hier im Kontext zwischen Murmuring Foul Spring und Derelict Satellite platziert eine absolute Bereicherung und Bindemittel gewesen wäre (während man Non-Atomism streichen hätte können, um die Platte auf einen Leel mit den Vorgängern zu heben), gelingt die Einverleibung dieser jazzigen Facette diesmal nicht. Nur in Urchin Thrones, in dem Saxophon und Stimme wie das tragische Duell zweier erlaufender Wasserleichen gurgeln, entsteht durch diese Sax-Schattierungen eine zwingende Unbedingtheit.

Was auch der herrlich dreckigen Produktion von Seth Manchester zu verdanken ist, die ihren kratzigen Sound in den richtigen Momenten in den Irrsinn übersteuert und das kaputte Momentum hervorkehrt. In Industrial Messiah Complex prescht etwa ein heavy Death-Riff nach vorne, doch ist es vor allem die Inszenierung – als würde das gesamte Szenario von einem Stroboskop-Ventilator phasenversetzt zerschnitten werden -, die hängen bleibt.
Ganz besonders hinten raus zeigt sich dann auch, dass Full of Hell tatsächlich Neues ausprobieren wollen und Garden of Burning Apparitions seine straighte Gangart durchaus in überraschende Bahnen lenkt: Der methodische Groove von Reeking Tunnels führt mit simpel strukturierter Zielstrebigkeit mitten hinein in den verdaulicheren Noiserock (und ist so als Output von Full of Hell durchaus interessant – für das anvisierte Genre aber kompositionell abseits des dualen Gebelles eher wenig aufregend), bevor sich in Celestial Hierarch postpunkige Chorus-Effekt-Gitarren wie zuletzt bei Suffering Hour mit stoisch fiepender Hartnäckigkeit in ein Amalgam aus stoischen Riffs und aufreibendem Lärm lehnen.
Allerdings gelingt es der Band eben nicht, diese bisweilen starken, faszinierenden Einzelstücken, die wie unkonkrete Flirtereien mit Optionen wirken, anstatt ihr Potential auszuschöpfen, über die Ästhetik hinausgehend zu einem kohärenten, überwältigenden und plättenden Ganzen zu verschweißen. Weswegen Walker ja insofern dann letztendlich aber auch Recht hat: Man folgt Full of Hell selbst mittels einer etwas frustrierend zerrissenen Platte – dieses Vertrauen hat sich das Quartett im vergangenen Jahrzehnt allerdings hart erarbeitet und auch mit diesem süchtig machenden 21 minütigen Ausbruch redlich verdient.

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