Full of Hell – Coagulated Bliss
Das ebenso schrill wie stimmig zusammengefügte Cover von Coagulated Bliss nimmt den collagenartigen Charakter des sechsten regulären Full of Hell-Studioalbums in all seiner neongrellen Frankenstein-Homegenität blendend vorweg.
Wie variabel – nein, eher: unberechenbar und hyperaktiv unfokussiert! – Coagulated Bliss den Rahmen der ohnedies stilistisch so elastischen Band aus Ocean City provoziert, und hinter der schillernd montierten, handgemacht überquellenden Post-AI-Fassade von Brian Montuori („using oil, acrylic, enamel, feathers, paper, hair and ink on canvas“) zum grimmigen Feuerwerk übersteuert, überrascht dann aber dennoch.
Ist der betont hyperaktive Rundumschlag in die Kampfzonen neben den angestammten Grindcore-Pits doch eine Entwicklung, die genau genommen ausgerechnet eine zusätzliche Übersteuerung der Kritikpunkte am Vorgänger Garden of Burning Apparitions darstellt und damit auch einen nötigen Umkehrschub erzeugt.
Genauer: War das 2021er-Album der Band ein inkonsequentes Andeuten von Aufbrüchen zu neuen Ufern im grundlegenden Festhalten an bewährten Formeln entlang eines unausgegoren Sequencings, ist Coagulated Bliss ebendies nur mutwilliger, gewissermassen das demonstrative Mitnehmen und Hinausschießen über diese Mankos. Soll heißen: Coagulated Bliss macht eine Clusterfuck-Mentalität zur chaotischen Tugend und assimiliert einen progressiven Rausch der Einzelszenen, ohne einen Scheiß auf übergeordnete Strukturen oder ein rundes Pacing zu geben.
Und gerade dadurch funktioniert das Gemetzel als Quadratur des Kreises durchaus schlüssig, indem Full of Hell dann auch endlich frenetisch aus jenem Korsett ausbrechen, das spätestens Weeping Choir dem Schaffen der Band abseits etwaiger Kooperationen verpasste. Keineswegs perfekt, aber gerade durch die labile Begeisterung für jeden neuen Impuls süchtig machend.
Wo die wirbelnde Kombo in bester Manier immer noch so hasserfüllt tackert und blastet, Dylan Walker weiterhin wie ein Berserker keift (aber dabei nahe wie nie zuvor an Bryan Funck faucht), addieren Full of Hell nun mit Jarhead Fertilizer als Kerosin etwa ein massives Mehr an Death jenseits des -Core, growlen guttural und brettern wie in Half Life of Changelings oder Schizoid Rupture psychotisch über einem muskulösem Höllenschlund, während ein den Irrsinn noch einmal hochdrehendes Vacuous Dose gleichzeitig vorführt, dass die Band auf Sicht trotzdem vielleicht noch nie zugänglicher war, als auf den 25 Minuten von Coagulated Bliss.
Die zwischen dem brutalen Chaos in die Schlachtplatte geschlenzten Riffs dürfen phasenweise schließlich einfach explizit ausgelassenen Spaß machen machen als bisher (wie in der schmissigen, mutwillig willkürlich inmitten des ansonsten so experimentell ausgelegten Album-Herz platzierten Punk-Titelson-Assel mit seinen catchy Saiten oder dem kompakt stehenden, vogelfrei wütenden Vomiting Glass) und verheimlichen dann wieder keineswegs, welch großer Melvins-Fan Spencer Hazard auch nach Eyes Flys immer noch ist. Gerade im seltsam gemeinen Groove von Doors to Mental Agony, der mittendrinnen ausläuft und sich hinten raus kathartisch auskotzt, dem vergleichsweise straight und knackig rockenden Transmuting Chemical Burns, das die Trademarks der Band letztendlich wie ein brodelndes Geschwür im rasenden Tempo in sich trägt, oder dem schleppenden Math-Oszillieren Gelding of Men, der als stacksender Post-Wulst taumelt – alle kompositorisch übrigens beinahe segmentartige Collagen, exemplarisch zwischen den Seilen des Album-Kontextes hängend.
Vielleicht ist es auch symptomatisch für Coagulated Bliss, dass Full of Hell in Szenen ohne Gäste ihren eigenen Horizont diesmal am weitesten aus der vorhersehbaren Linie lehnen. Auf der einen Seite schreitet nämlich ein (durch 134 Sekunden den drittlängste Track der Platte markierende) Fractured Bonds to Mecca mit kargen Industrial-Drums durch eine kalte, The Body‘eske Post Punk-Ästhetik und bindet jenen Dämon, der Glassjaw’s Strange Hours inne wohnte, oder stellt das sechsminütige Epos Bleeding Horizon unter ausgemergeltem Strom stehend eine Art asketischen Drone dar, der sich in sludgiger Zeitlupe jenseits von Thou zu einem letzten Aufbäumen schleppt, derweil auf der anderen Seite das brutal planierende Gasping Dust mit den schizoiden Feuerstrahl von Immolation-Legende Ross Dolan Kerosin ins Feuer gießt und sich Malformed Ligature aus der eigenen Radikalisierung heraus mit viel Raum vor Converge verneigt, wo Jacob Bannon zwischen schwindelerregender Raserei und Bremse dirigiert, bevor Full of Hell mit Saxofon schwelgen den doch irgendwo archetypisch am Closer-Baukasten angelegten Ausklang aus diesem konsequent zerschossenen, in seiner eigenen Flickwerk-Sauce garenden Weirdo-Abdrehen abfackeln. Wie ein Puzzle, dessen einzelne Teile mit Gewalt unpassend ineinander geprügelt werden – und das so eine hässliche Schönheit entwickelt.
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