Fucked Up – Year of the Tiger
Alte Gewohnheiten wollen nicht abgelegt werden: Fucked Up hinken dem chinisischen Horoskop mittlerweile zwar hinten nach, bleiben mit ‘Year of the Tiger’ jedoch eine der genresprengendsten Hardcore Bands da draußen. Mitunter auf der Gästeliste: Jim Jarmusch.
Zuerst einmal fällt die Länge auf: ‘Year of the Tiger’ vereint gerade einmal zwei Songs – ‘den Titeltrack mit über 15 Minuten sowie ‘ONNO’ mit knappen 22 Minuten – bei einer Spieldauer von beinahe 38 Minuten. Das ist nicht nur länger, als so manche Bands für ganze Alben brauchen, es ist sogar selbst für Fucked Up eine beachtliche Distanz – obwohl die auf ihren mittlerweile traditionellen Zodiac Vertonungen immer wieder die zehn Minuten Marke knacken. Doch ‚Year of the Tiger‚ reklamiert auch darüber hinaus eine aufsehenerregende Stellung. Die scheinbare Tatsache, dass ‘Year of the Tiger’ bereits zwei Jahre auf dem Buckel haben soll ist da jedoch mutmaßlich weniger interessant, als dass die Gästeliste neben Annie-Claude Deschênes (Duchess Says) und Katie Stelmanis (Austra) mit dem Filmregisseur (respektive dem ehemaligen The Del-Byzanteens Keyboarder) Jim Jarmusch aufwarten kann.
Im Grunde nicht mehr als eine Randnotiz. Weil aufsehenerregende Gäste bei Fucked Up keine Seltenheit mehr sind, und diese meist ohnedies vollends von Fucked Up aufgesogen und als natürlichste Hintergrundbegleiterscheinungen der Welt in die Songs integriert werden.
Da macht auch ‚Year of the Tiger‚ keine Ausnahme und wirft zwei Songs ins Rennen, die es wieder einmal so richtig in sich haben: Der Titelsong ist ein im Midtempo abrockender Punker, Synthesizer klimpern, während die Gitarren um Damien’s bellende Stimme kreisen. Refrains tauchen auf immer wieder aus dem hypnotisch dahinstampfen Song auf, der mit gefühlten tausend Spuren auf unzähligen Ebenen abzulaufen scheint. Das ist rotzig mit System und im Kontext nur noch bombastisch, selbst für Fucked Up. Nach knapp zehn Minuten übernehmen die Damen als Kontrast zu Pink Eyes die Oberhand, lichten den Song für prominentes Klavier in bester The Stooges Manier. Eine Bridge, wenn man so will, bevor der Songs neuerlichen Anlauf nimmt.
‚ONNO‚ ist hingegen nur irgendwo ganz weit hinten ein Punkrocksong, hinter all dem verspulten Bandsalat, der sich im Vordergrund präsentiert. Ahnungen von Gitarrenarbeit tauchen immer wieder aus dem Meer an reversierten Beats und kristallierenden Synthesizerwellen auf, nichts wirkt greifbar. Der Song bahnt sich in stetiger Veränderung seinen meditativen Weg zwischen Hüsker Dü hindurch Richtung Merzbow und Boards of Canada und geht in der Nähe von Fuck Buttons vor Anker. Ein elektronisches Studioexperiment, ein Rausch von einem Song.
Durch ‚Year of the Tiger‚ inszenieren sich Fucked Up abermals als die megalomanisch denkend Suchenden unter der aktuellen Punk Rock Elite. Die unwahrscheinlichsten Szene-Lieblinge der letzten Jahre bleiben unberechenbar, beide Seiten der Medaille überzeugen restlos. Der tatsächlich große Pluspunkte der Platte: ‚Year of the Tiger‚ erzwingt nichts, man kauft der Band ab, die Songs nicht nur um ihrer Länge willen derart lange ausgewalzt zu haben – das bleibt permanent stimmig, noch viel wichtiger jedoch: immer spannend und unterhaltsam.
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