Fucked Up – Someday
Aktuell arbeiten Fucked Up an einem „epic“ Album und nutzen das auf vier Teile angelegte „Day„-Konzept, um nicht an der Arbeit an diesem Brocken zu ersticken. Someday ist nach Another Day jedoch weniger die zweite Fortsetzung von One Day, als vielmehr das prominent besetzte Update zu Who’s Got the Time & a Half?.
Das dritte Fucked Up-Album im Jahr 2024 steigert schließlich die Tendenzen des ersten: Damian Abrahams rückt nun nicht mehr nur phasenweise vom Mikrofon ab, er ist praktisch kaum noch davor anzutreffen.
Nur zweimal im Verlauf steht der 45 jährige an vorderster Front – und selbst dann teilt er sich die Vocals. Im unterwältigenden City Boy mit einem für melodischen Hall sorgenden Graham Sayle von High Vis, in Man Without Qualities mit Max Williams (von Rifle, deren 2023er EP Jonah Falco produzierte), der von der Hook bis zum viel zu oft repetierten Refrain alle markanten Ecken in der Formel anbietet und eine frech skandierende Pointiertheit besorgt, wo der instrumentale Teil im Einerlei zu verschwimmen droht.
Überhaupt ist das zwischen September 2022 und Januar 2023 aufgenommene Someday geprägt von Features, derweil Mike Haliechuk beinahe immer zum Lead-Vocalist aufgestiegen ist. Im herrlichen Ohrwurm Took My Mom to Sleep übernimmt jedoch Year of the Horse-Bekanntschaft Tuka Mohammed einen powerpoppigen Singalong mit Beach Boys-Attitüde als Highlight und im ähnlich veranlagten, nur etwas verhaltener agierenden, mäandernden (und dafür überschwänglicher intonierten) In The Company of Sisters zeigt Julianna Riolino auf.
Dieses Schaulaufen der Gäste ist ein guter Impuls gegen die grundlegende Problematik der Band hinsichtlich des Songwritings und der Inszenierung – die (so oder so meist zu langen) Kompositionen müssen nun etwas weniger deutlich mit dem Gefühl leben, dass der Fucked Up-Backkatalog alles hier aufgefahrene schon zu einem früheren Zeitpunkt noch besser abgeliefert hat.
Immerhin üben die Kompositionen der Band mittlerweile gerne Druck auf eine einzelne Idee aus dem Baukasten aus. Während sich also der Eindruck verstärkt, die (gesamte) Band könne das Gefühl teilen, als hätte sie mit dem kaum variablen Damian am Mikro bereits alles gesagt, derweil Mike Haliechuk keine wirklich individuelle Identität in den Sound bringt, verschiebt die Horde an Gästen die Komfortzone der Kanadier zumindest um ein paar kleine Facetten.
Vor diesem Hintergrund fällt die Divergenz zwischen Highlights und Füllmaterial markanter aus. Das fabelhafte Feed Me Your Feathers joggt flott und macht Spaß, der Refrain bekommt von Pat Flynn sogar eine überraschende Patina a la Animal Colective und Fellow Travellers gibt sich wie eine verschrobene Math-Annäherung an Death from Above 1979 im hippiesken Chor samt von einer Seite zur anderen geworfenen Call Response- Rhythmik, die sich am Ende für den offenen Horizont entscheidet.
Grains of Paradise fehlt es gefällig und melodiös dagegen (als einzig redundantem Song) an Alleinstellungsmerkmalen und das sofort zündende The Court of Miracles klingt in seinem heroischen Sturm und Drang mit 80er-Gitarren und hymnischen, generischen Chor-Arrangements erhebend zugepflastert – aber auch wie etwas, das man schon unzählige Male von der Band gehört hat. Das okaye Smoke Signals (wieder mit Sayle) ist dann ein relativ indifferenter Strom aus austauschbaren Riffs und Ideen, bevor sich das Titelstück als 08/15-Routine mit den üblichen mehstimmigen Harmonien zieht.
Insofern ist Someday zwar sicherlich für eine breitere Masse anziehend – primär allerdings wegen der prominenten Gästeliste und dem daraus zwangsläufig folgenden größeren Einzugsgebiet. In einem Jahr, in dem praktisch kein Monat ohne neue Fucked Up-Veröffentlichung vergeht, kommt die 40 minütige Collage im Ganzen dennoch wirklich einem mit vereinzelten Höhepunkten geschmückten Druckausgleichsventil der Diskografie gleich.
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