Fucked Up – Another Day
Another Day ist nach dem nur kurz verfügbaren Ausfallschritt Who’s Got the Time & a Half? das zweite Fucked Up-Album im Jahr 2024, aber (als erstes reguläres) das direkte Sequel zum 2023er-Werk One Day.
Der konzeptionelle Ansatz ist derselbe wie bei diesem offiziellen Vorgänger: Jedes Bandmitglied hatte 24 Stunden Zeit, um seine Parts aufzunehmen – wobei sich die Gesamtdauer der Produktion bis 2022 zurückdatieren lässt und so eben streng genommen mehrere Jahre umfasst. Zumal diesmal auch Josh Zucker (zum ersten Mal seit Glass Boys 2014) wieder ins Studio zurückkehrte.
Weder der Ansatz zur relativen Spontanität, noch das besetzungstechnische Comeback haben jedoch etwas am grundlegenden MO der Band geändert . Fucked Up machen mit ihrem Indie-getriebenen Hardcore im Positiven wie Negativen weiter seit einer Dekade: zuverlässig – aber das gewisse Etwas (der so essentiellen Größenwahn vielleicht, der die Diskografie bis 2011 zu einem Triumphzug machte?) ist der Band im vergangenen Jahrzehnt (trotz des nach oben ausbrechenden Dose Your Dreams) einfach abhanden gekommen. Die Kanadier arbeiten insofern auch diesmal wenig interessant nach Schema-F(ucked Up), weswegen die wirklich großen Songs fehlen und überdurchschnittliche Standards der Konsens sind.
Es gibt wahrlich Schlimmeres, aber eine überschwängliche Begeisterung kann kein Baustein des ausfallfreien Another Day nach dem so durch und durch typischen, herrlich ziehenden Einstieg Face hervorrufen. Die hymnischen Gitarren in Stimming schielen in die 80er und folgen mit den erhebenden Arrangements einer Blaupause: Produktionstechnisch scheint das mit zu vielen Lagen zugestellt zu sein, um einzelne Facetten würdigen zu können. Die Masse übersättigt, keine Idee kann herausragen. Durchaus symptomatisch.
Die Synths im dröhnenden Tell Yourself You Will bleiben dagegen leider ohne Konsequenz – dafür sorgen die unterstützenden Vocals aus der zweiten Reihe für zusätzliche Energie: u.a. Charlie Manning-Walker (The Chisel) und Danko Jones streifen dafür Credits ein und nutzen das Mehr an Raum. Fucked Up können es einfach, wenn sie nicht zu bemüht verkrampften.
Der Titelsong stolpert im Refrain über eine Art Pop und Paternal Instinct baut sich als beschwörend galoppierende Mitgröhl-Fantasie im mittigen Zenit auf. Divining Gods läuft wie eine punkige Sisyphusarbeit gegen einen Post-Hardcore-Berg an und The One to Break It setzt auf ein prägnantes Gitarrenmotiv und den harmonischen Signature-Backround.
Wirklich spannendes Potential schürft die Band hier nicht aus der Gewohnheit, sondern setzt stattdessen auf eine fast pflichtbewusste Gleichförmigkeit: alle Zutaten kennt man, die risikofreie Zubereitung weicht selten von einem vorhersehbaren Plansoll ab. Schmecken tut’s einfach trotzdem. Trotzdem und genau deswegen.
Hinten raus öffnet das Album seinen Horizont (ohne richtige Überraschungen) insofern sogar beinahe, bevor House Lights einen guten Routine-Abschied mit epischer ausholender Bridge, wirklich starker Gesangslinie und zu langer Spielzeit bietet: Das verschroben dicht eingekochte More lässt jubilierende Texturen sinfonisch in den Himmel ragen, endet jedoch justament, wenn die Nummer psychedelisch interessant zu werden droht, derweil sich Fellow Fine Feeling unter Haliechuk im Kreis wie eine hippieske Lagerfeuer-Freude für den Pit dreht. Wirklich radikal genug, um Perspektiven zu verschieben, werden diese Ansätze freilich nicht. Um das überzeugende Niveau von One Day halten zu können, genügt es dennoch locker. Mehr noch: Vor allem durch die kompakte erste Hälfte bringt die Band 2024er eine zwingendere Umsetzung ihrer Konzeptkunst auf den Boden, als im Vorjahr, und sorgt damit für das packendere Gesamtpaket.
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