Frank Carter & The Rattlesnakes – Sticky
Frank Carter bietet sich und seine Rattlesnakes mit dem konsensfreundlichen Punkrock von Sticky endgültig dem frühabendlichen Festival-Programm feil, und wird seinen Job dort auch mit viel Effizienz erledigen.
Was für ein konstantes Händchen für catchy Hooks und infektiöse Ohrwürmer der ehemalige Gallows-Frontman im Verbund mit Kompagnon Dean Richardson und seiner Backingband mittlerweile abonniert hat, ist schon erstaunlich. Dass er diese Schmissigkeit allerdings auf Kosten jedweder Tiefenwirkung in Kauf nimmt, ist wie ein kurzer Rausch samt unvermeidlichem Kater und in jeder Hinsicht die konsequente Steigerung von End of Suffering: Ohne relevante Nachhaltigkeit oder emotionale Tragweite müssen die 29 kurzweiligen Upbeat-Minuten so barrierefrei wie ausgelassenen alleine dem schwitzenden Entertainment frönen – und werden live mit einem Frontmann wie Carter sicherlich auch als Kerosin zünden! – opfern dabei aber mittlerweile jede emotionale Ebene der stimmungsmachenden Agenda, ja, beschränken die für den reinen Unterhaltungswert ausgelegte Party im tanzbaren Alternative- und Punk-Rock auf einen frontalen Simplizismus mit dem eindimensionalen Mehrwert von Junkfood.
Selbst mit dem adrenalinindizierten Momentum und der energiegeladenen Performance wird die Sache rasch reizlos, obwohl etwa das flotte Titelstück (samt assoziativem Limp Bizkit–Dampfhammer) oder relative Highlights wie das düster grummelnde, Homme-geschulte und einen erhebend die Hymnik im Refrain beschwörende Cupid’s Arrow oder der mit leicht schwüler Psychedelik-Patina shakende Singalong Cobra Queen die Vorzüge dieser Oberflächlichkeit ziemlich effizient nutzen.
Meistens aber sollen Gimmicks die eklatanten Songwriting-Schwächen, die immer gleichen Strukturen und überraschungsarmen Verhaltensmuster von Sticky kaschieren – was wie in Take It to the Brink, dem die zwingend abholende Griffigkeit ohne gute Idee vollkommen abgeht und dafür bellende Hunde von der fehlenden Substanz der Komposition ablenken sollen, geradezu ärgerlich durchsichtig passiert, während im Queens‘esken Rat Race ein Saxofon als rein kosmetisches, effekthaschendes Element angekarrt wird – bitte mal bei den Viagra Boys nachhören, wie das elementar geht.
Für die Hälfte der Nummern müssen deswegen auch geladene Gäste für eine leidliche Varianz sorgen – ihre Features entpuppen sich aber als ambivalente Angelegenheiten. Der Vorschlaghammer-Gröhler Bang Bang ist mit quietschenden Bläsern und rollenden Drums gedrosselt unmittelbar penetrant, aber rotzig genug, um authentisch zu bleiben und sich nicht zu billig aufzudrängen – bis Lynks absolut willkürlich für einen Möchtegern-Gorillaz-artigen Synthpop-Rap in die Nummer gepappt wird – besser zündet da schon der Auftritt des „masked drag monster“ in Go Get a Tattoo, das auf einem potentiellen Super Mario-Basslauf fußt (und damit die vielleicht einzige erinnerungswürdige Ingredienz der instrumentalen Seite der Platte stellt) und nach Schema-F als stromlinienförmiger Singalong genormt durch Lynks zumindest ansatzweise eine Identität bekommt.
In Off with His Head darf dann „nu metal pop provocateur“ Cassyette gleichermaßen quietschend nerven wie mit Wave-Anstrich betören, wohingegen vom mit Synthies verstärkten Dancepunk My Town mit Joe Talbot als gefühlte Ultra Mono-B-Seite zumindest der Refrain im soliden Baukasten hängen bleibt: Funktionsmusik, die ihr Klientell ökonomisch bedient. Und wie uninspieriert mäandernd das finale, mit ein bisschen Lounge-Flair ausgestatte Original Sin deswegen dann auch daherkommt, ist nur so lange enervierend, bis Bobby Gillespie verführerisch croonend auftrumpft und klarmacht, dass es durchaus Szenen auf Sticky gibt, an denen man ganz zügellos seinen Spaß haben kann.
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