Frail Body – A Brief Memoriam
Einen kleinen – vielversprechenden, aber auch unausgegorenen – Rohdiamanten hat das Jahr 2019 also mit A Brief Memoriam, dem Debütalbum eines Trios aus Rockford, Illinois, in der Balance aus klassichem Screamo und kraftvollen Hardcore noch parat.
Es fühlt sich dabei aber einfach nicht ganz richtig an, bei A Brief Memoriam von einem Album zu sprechen. Was weniger an der extrem knappen Spielzeit von gerade einmal 22 Minuten liegt, sondern eher daran, dass der übergreifende Spannungsrahmen unfertig wirkt, mit den finalen drei Songs schon ein Gutteil der Platte bekannt ist: Frail Body haben hier einfach ihre erste At Peace-Session aus dem Jahr 2017 wiederverwertet – und nur die vier Songs davor sind tatsächlich neu.
Auf dem Weg rückwärts zu den eigenen Wurzeln funktioniert A Brief Memoriam vom aktuellen Material weg an allerdings erst noch durchaus schlüssig. Pastel gönnt sich als Opener ein kurzes Geplänkel, bollert dann aber exemplarisch los, im Geiste von Loma Prieta und Birds in Row geifernd, im Windschatten von Portrayal of Guilt, Nuvolascura oder Senza und State Faults die Gunst der Stunde nutzend.
Dafür verlangen Frail Body keinen Originalitätspreis, machen auch wenig falsch: Harsche geschriene Vocals köpfeln in eine stürmische Dringlichkeit, roh und dynamisch. Das Songwriting ist variabel zwischen melodiös perlenden Segmenten und der Intensität einer emotional aggressiven Katharsis gebaut, kotzt den Existenzialismus und Nihilismus mit viel Traurigkeit und dramaturgisch klarer Linie hinaus: A Brief Memoriam geht schon eingangs für das Genre erstaunlich griffig und strukturell zugänglich vor.
Your Death Makes Me Wish Heaven Was Real hat hinter den bis in den dissonanten Noise schielenden Attacken der Gitarren immer auch eine sehnsüchtige Wehmut und beinahe weiche Melancholie schimmern, verausgabt sich bis zu einem Punkt, wo alles nahe an den Stillstand kommt, die Band kontemplativ und atmosphärisch rezitierend durchatmetet, man kurz sinniert und gar an La Dispute denken darf. Dort bauen sich Frail Body immer verzweifelter in das epische auf, auch wenn die nach ungeschliffen-rauen Standards klingen wollende, aber eigentlich zu ordentlich aufgeräumte Produktion dafür nicht fett oder gemein genug ist. Aperture randaliert in dieser Ausgangslage dennoch herrlich unberechenbar und trotzdem catchy.
Kurz vor dem Ende der ersten Plattenhälfte gelingt es Frail Body zudem durchaus beachtlich, den Bogen zu At Peace zu spannen, indem Traditions in Verses das Tempo als Verbindungsstück generell das Tempo herausnimmt, schrammelnd am brachialen Posthardcore und schimmernden Indie-Shoegaze bratzend eine praktisch ideale Einleitung hofiert.
Trotzdem wirkt das angehängte alte Material zu faul in den Kontext eingebettet. Das tolle Cold New Home schraubt zwar weiterhin mit brachialer Eleganz und melodiösem Bass, speit hinten raus auch garstig stakkatohaft – schade nur, dass man nun nicht auch den Übergang zum folgenden At Peace diesmal weniger abrupt und dafür homogener gestaltet hat, wenn Field Recordings und Gespräche eine intime Gitarrennachdenklichkeit beschäftigt zu überdecken drohen, die imaginative Brücke zu den frühen Desaparecidos aber da ist. Der drastische Wechsel zwischen Radau und (Un)Ruhe ist zwar toll, wirkt aber immer noch so bemüht forciert wie bisher.
Schon absurd, dass der Spielfluß also gerade auf die letzten Meter also holprig wird, obwohl hier ja lange genug Zeit war, an den Stellschrauben zu feilen, bevor mit dem nostalgischein postpunkigen Texturen badenden Old Friends noch einmal ein starker Anlauf genommen wird, geduldig und atmosphärisch. Dass die Toms anders klingen als zuvor, keine wirkliche Verzweiflung eskaliert und die Platte zu plötzlich beendet ohne detonierenden Klimax in der Luft hängend entlässt, verkauft A Brief Memoriam – als tolle Talentprobe, aber zu schludrig ausgeführtes Album – dann auch unnötigerweise unter Wert. Dass Deathwish sich hier trotzdem eine vielversprechende Aktie an Bord geholt hat steht indes außer Frage.
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