Foo Fighters – Sonic Highways
Es gibt da diese für das achte Foo Fighters–Werk durchaus symptomatische Szene in der Chicago-Folge der zum Album gehörenden, gleichnamigen und absolut empfehlenswerten HBO-Doku-Serie, in der die Band ihren Cheap Trick-Kumpel Rick Nielsen darum bittet, auf ‚Sonic Highways‚ mitzuspielen – und dieser dezent verdutzt wissen will, ob eine Gruppe mit bereits drei Gitarristen wirklich noch einen zusätzlichen brauche.
Das ist deswegen repräsentativ, weil es auf ‚Sonic Highways‚, dem Album (nicht als Soundtrack zur Doku misszuverstehenden!), in erster Linie nie wirklich darum gegangen zu sein scheint, was die Songs wirklich brauchen, um zu den bestmöglichen Versionen ihrer selbst zu werden – sondern welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit sie in das Raster des der Platte zugrunde liegenden Konzepts passen: die Band reist durch 8 Städte der USA, holt sich durch die lokalen Eindrücke (was dann auch zu einem Gespräch mit unter anderem Barack Obama führen kann) und unter Mitwirkung der ansässigen Musikszene die Inspiration für das Songwriting (und wird, soviel sei verraten, trotz allem bei einem klassischen Foo Fighters-Album landen, das soundtechnisch relativ gleichgeschaltet im Grunde kaum erahnen lässt an verschiedenen Orten entstanden zu sein).
Was an sich eine durchaus lobenswert ambitionierte Herangehensweise für eine Band im zwanzigsten Jahr darstellt und zeigt, dass Dave Grohl immer noch von einem künstlerischen Hunger angetrieben wird: dass er die Songs schreiben kann, die seiner Band am besten stehen, hat er zuletzt mit dem tollen ‚Wasting Light‚ (eigentlich das potentiell ideale Abschiedsalbum) ja eindrucksvoll bewiesen; dass er seine Foo Fighters abseits der persönlichen, unerschöpflichen Nebenprojekt-Liste aber eben wie bereits auf ‚In Your Honor‚ und ‚Echoes, Silence, Patience & Grace‚ lieber auch über den Tellerrand blicken lassen möchte, ist dann Ausdruck davon, dass er sich mit der Effektivität in diesem Komfortbereich nicht restlos zufrieden geben will. Einzig: wie seine geistigen Vorgänger krankt ‚Sonic Highways‚ nun in vielerlei Hinsicht an dem daraus entstandenen Songmaterial; die Symptome lassen sich großteils am Entstehungsprozess festmachen.
Das beginnt bei den Lyrics, die sich Grohl kurzfristig und spontan quasi erst im letzten Augenblick vor den Aufnahmen aus den Fingern sog, um „das richtige Feeling einzufangen“ – sich hier aber in seinen limitierten Fähigkeiten als Texter schlichtweg übernimmt und sich in nichtssagenden, überhöhten Plattitüden und Banalitäten verliert, die zu keinem Zeitpunkt die direkte, simple und unkomplizierte Emotionalität der stärksten Momente der Foo Fighters kanalisieren können. Dass die permanenten direkten und indirekten Verweise in den Lyrics auf die Interviews und sonstige Doku-Gegebenheiten eine nette Metaebene schaffen: schön und gut – aber macht das die Sache deswegen auch automatisch besser? Und dass die Texte nur in Kenntnis der Serie einen Sinn ergeben kann dann ja auch nicht das Ziel gewesen sein.
Diese bisweilen umständlich, wenig zielführend Verkopftheit setzt sich auf musikalischer Ebene fort. Es mag am Papier also nach einer durchaus spannenden Idee geklungen haben, wenn durch das eröffnende ‚Something From Nothing‚ plötzlich ein Hardrock-Standartriff headbangt und dem Song gar ein verschachtelt anmutenden Aufbau zugestanden wird, der vor netten Ausschmückungen nur so strotzt – auf Platte gepresst klingt es nun aber nur so solide wie altbacken, forciert bis eben auch unnötig, und vor allem: sebst wenn der Song sich immer weiter in einen Rausch spielt – er kickt einfach nicht wirklich.
Auch danach bleibt die regelrecht progressiv daherkommen wollende Aneinanderreihung von Classic-, Stadion, Formatradio und Hardrock-Motiven, dieser Tributzug an die amerikanische Musikgeschichte von Kansas bis Ronnie James Dio, voller Selbstzitate und Querverweise in die 70er und 80er seltsam unausgegoren, krankt trotz einer doch ganz gut nach vorne gehenden ersten Albumhälfte auch bis zu einem gewissen Teil daran, dass ‚Sonic Highways‚ die erste Foo Fighters-Platte ohne zumindest einen wirklich herausragenden Überhit ist, sondern „nur“ aus 8 routinierten Songs besteht. Die spätestens seit ‚One By One‚ geltende Formel (reichlich Füllmaterial wird durch Ausnahme-Singles gerechtfertigt) greift diesmal nicht, nur fängt auch das Gesamtgefüge diesen Mangel nicht restlos auf.
‚The Feast and the Famine‚ kommt da mit den Bad Brains im Hintergrund und seinem catchy aufdringlichen Refrain alten Brechern noch am nächsten, während das schöne ‚Congregations‚ als schöner Middle of The Road-Rocker mit weitem Horizont und Charisma funktioniert, die Tom Petty-Liebe irgendwo sogar stimmiger als je zuvor formuliert: das Albumhighlight, das jedoch auch die stärkste Phase der Platte beendet.
Das zweigeteilte ‚What Did I Do?/God as My Witness‚ evoziert mit seinem Pianobeginn in der guten ersten Hälfte Gedanken an ein gediegenes Dad/Rock-Oper-Flair, bevor Grohl mit breiter Geste und Gary Clark Jr.ganz unverhohlen cheesy die Schmalzkanne auskippt. Aber justament, wenn sich mit elaborierten Soli die Möglichkeit bieten würde auch wirklich grandios über alle Ziele hinauszuschießen, fadet die Nummer uninspiriert aus: stünde hier ein ausufernder Jam teil, hätte das der Platttendynamik im Ganzen enorm in die Hände gespielt.
Die Streicher und Bläser der Preservation Hall Jazz Band im angenehm seine Hookline auswerfenden ‚In the Clear‚ schmücken wenig sinnstiftend nur das vorhandene Szenarie aus ohne wirklich etwas zum Song an sich beitragen zu können, mit Ben Gibbard plätschert ‚Subterranean‚ dann gar zu verschmust. Das abschließende ‚I am a River‚ wird von Tony Visconti als pathostriefendes Finale mit absoluten Stadionpotential ausgestattet (was nicht zwangsläufig negativ gemeint ist). ‚Outside‚ zieht das Tempo dagegen etwas an, tändelt jedoch ohne zündenden Geistesblitz-Funken zwischen mäandernden Gitarrensolo und netten Melodien umher.
Hängen bleibt dabei langfristig einfach zu wenig. ‚Sonic Highways‚ wächst sich von der eingangs langweilenden Enttäuschung zwar nach und nach zu einem gefällig den Hintergrund beschallenden Grower, der weit davon entfernt ist ein tatsächlich schlechtes Album darzustellen (oder aber sich songtechnisch allzu weit von etwa ‚There is Nothing Left to Lose‚ zu entfernen).
Es mangelt der Reise, diesem Loveletter an die amerikanische Musikkultur allerdings an den wirklich großen Augenblicken, zu denen man als Hörer (ohne die dazugehörigen Bilder serviert zu bekommen) unbedingt zurückkehren möchte. Zuviel Potential liegt brach, zu unverbindlich und beiläufig routiniert bleibt das alles, während die Foo Fighters ihre PS nicht mit der nötigen Unmittelbarkeit auf den Boden bringen.
Dass Argument, dass das Album in Kenntnis der Serie (letztendlich der deutlich bessere Part dieses Projekts) zwingender funktioniert, kann deswegen auch vernachlässigt werden. Denn was hilft es schon, wenn Dave Grohl den Dude-Bonus schlechthin besitzt und seine Band an sich noch hungrig wirkt – aber eben kaum danach klingt?
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