Foo Fighters – Medicine at Midnight

von am 19. Februar 2021 in Album

Foo Fighters – Medicine at Midnight

Eher geschickte Ergebniskorrektur als eine tatsächlich neue Inkarnationen der Stadionrocker: Dave Grohl verpasst seinen Foo Fighters mit Medicine at Midnight eine erfrischend mondäne Inszenierung, kann dabei aber altgediente Schablonen weiter nutzen.

Obwohl dieser Ansatz gerade bei Alben wie dem Acoustic/Doppelalbum In Your Honor oder der Reise/Doku Sonic Highways eben auch ein nicht zu kaschierender Teil des Problems war, muss man Grohl attestieren, dass es eine Gute Idee ist, mit übergeordneten Konzepten oder Leitmotiven (wobei ihm selbst diese Begriffe wohl zu wenig nach impulsiv schwitzenden Rock klingen werden) die Dinge für eine Band halbwegs spannend zu halten, die nach Wasting Light keine herausragenden Killersingles mehr zustande brachte und schon davor ein massives Problem mit der Bürde aus pflichterfüllender Erwartungshaltung und Plansoll hatte.
Selbst Grohl wird sich an (das auch dieser Stelle etwas zu wohlwollend beurteilte) Concrete and Gold immerhin höchstens insofern erinnern, als dass er im Zuge der Promo Tour sinnentleerter weise von Motörhead als Referenz sprach.

Dass der 52 Jährige nun für das zehnte Foo Fighters-Album von Disco und Funk, von den tanzbarsten Songs seiner Karriere erzählt, und Alben von ABBA und Sly And The Family Stone sowie Let’s Dance und Tattoo You als Anhaltspunkte des Sounds anvisiert, ergibt da schon weitaus mehr Sinn, selbst wenn freilich nichts so heiß gegessen wie gekocht wird, und viel dampfende Plauderei immer noch Effekthascherei ist.
Doch all die immer wieder auftauchenden souligen Backingchöre, 80er affinen Drum-Grooves und lebhaften perkussiven Verzierungen hin Richtung eines broadway’esken Gestus zeigen eine prägende, effektive Wirkung: Absolute Kompositions-Standards mit banalen Texten als Basis bekommen durch die guten Gewissens mit dem überkandidelten Momentum liebäugelnden Arrangements hinter der glattpolierten Greg Kurstin-Produktion ein (zumindest für eine solch wertkonservative Band) geradezu experimentelles Flair. Sie besorgen dem Songwriting eine durchaus beschwingte Frischzellenkur, gerade wenn die austauschbare Autopilot-Strophen aus der Grabbelkiste stets doch noch einen schmissigen Chorus aus dem Ärmel ziehen. Medicine at Midnight strahlt so über weite Strecken eine überraschend unverkrampfte Spielfreude aus und wirkt schon alleine durch seine Auftreten agiler als seine Vorgänger, hat derart veranlagt sogar mehr Ohrwürmer an Bord, als jede andere Veröffentlichung Grohls seit gut einem Jahrzehnt.

Mögen die „Nana-Nananana-Nanaa“-Ladies in Making a Fire etwa auch leicht zu durchschauen gestikulieren, ihr Part absolut simpel und generisch gestrickt sein, funktioniert er doch ziemlich catchy und griffig als eifrige Hook, während die restliche Nummer solide bis zu ihrem mit Handclaps stampfenden Ende agiert. Shame Shame sucht verspielt stacksend die aufgeräumte Nähe zum Pop, ist so neugierig wie unaufgeregt rhythmisierend die vielleicht konsequenteste Synergie der Platte: der Refrain wird sorgsam von Streichern unterspült, es ergibt sich ein hibbelig-verträumtes Schwelgen. Die akustisch geborene Halbballade Waiting on a War dekliniert an sich Malen nach Zahlen, doch holt eine gewisse Zuverlässigkeit im spielfreudigen Ambiente ab. Stellvertretend für das restliche Album representative ist die positive Grundstimmung, sie trägt selbst kitschige Streicher. Hinten raus gibt es gar einen so feinen wie ungefährlichen Tritt auf das Gaspedal: Die neu gefundene Gelöstheit, sie tut den Foos merklich gut.
Der Titelsong groovt deswegen wie selbstverständlich vor die 90er und baut geschmeidige Soul-Chöre ein. Der Rhythmus verführt den typisierten Rock zum Classic Solo, wenn auch als großer Kompromiss. No Son of Mine ist galoppierten Hardrock, simpel und an die Queens und Vultures angelehnt. Das pocht und stampft, poltert dann ausgelassen zur einfach gestrickten Unterhaltung, irgendwann zeigt die Schmissigkeit gar beinahe einen braven Exzess – live wird das Spaß machen und sich kurzweilig zwischen die alten Smasher und Hits einfügen.

Mit diesem Unterhaltungswert am Banner gewinnt Medicine at Midnight – selbst wenn sich die ästhetischen Entscheidungen in den schwächeren Momenten der Platte abermals stärker in das Langzeitgedächtnis einbrennen, als die damit bearbeitete Substanz.
Dann liebäugelt Holding Poision mit Manierismen, geht relativ konventionell ebenso schnell ins Ohr wie wieder hinaus und übersättigt beim finalen Refrain doch schön längst. Das Stück ist aber auch exemplarisch dafür, wie leicht der Band die Songs diesmal von der Hand gegangen zu sein scheinen – anders wäre ein cool schillernder Revue-Twist wie jener der Bridge wohl gar nicht möglich gewesen. Chasing Birds tut als nett-helle, naturalistische Folk-Acoustic-Ballade niemandem weg, ist angenehm sonnig und sanft, plätschert gefällig und harmlos mit weicher Patina, um sich nebensächlich den Bauch zu pinseln, bevor der unspektakuläre Closer Love Dies Young als hoffnungsvoll galoppierender, unkomplizierter Rocker ohne unbequeme Kanten nicht aufzeigen kann: zahnlos und ungefährlich – aber auf eine Art, die man Grohl nicht übel nimmt – selbst wenn Refrain irgendwann bis zum geht-nicht-mehr wiederholt wird.
Nur das unsagbar langweilige, bieder und pseudo-flippig in Coolness getaucht gemeinte Cloudspotter kommt dem Ausfall nahe, als 0815-Fließband-Rocker aus dem Baukasten, inklusive negativer Angriffslust in einer ohnedies wenig konfrontationssüchtigen Platte (was man so bei einer derart auch puristenunfreundlich ausgelegt werden könnenden Angelegenheit erst einmal zu bewerkstelligen ist!). Der „Bang bang“-Refrain hat beinahe etwas bemitleidenswert hüftsteifes und für wenige Augenblicke ist man fast versucht zu verstehen, warum viele Fans Medicine at Midnight als blamablen Dad-Rock aburteilen. Das ist angesichts des lockersten Foo Fighters-Werkes seit langer Zeit freilich ebenso ebenso schwachsinnig, wie eine Platte des Monats-Ehrung, die dann, nichts für ungut, nur als wahrlich absurde Nibelungentreue einer Band gegenüber interpretiert werden kann, deren größtes Manko es mittlerweile ist, einfach keine Leidenschaft auf Seiten des Rezipienten mehr erzeugen zu können.

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