Foo Fighters – But Here We Are
„We are going to be a different band going forward“ hat Dave Grohl nach dem Entschluss, die Foo Fighters trotz des Todes von Drummer Taylor Hawkins weiterleben zu lassen, verkündet. Tatsächlich klingt But Here We Are aber so sehr – und vor allem: so gut! – nach den Foo Fighters, wie keine Platter der Band seit 2011.
Das ist freilich auch relativ zu verstehen, denn abseits der nibelungentreuen Wahrnehmung einiger Jubelperser waren Sonic Highways sowie (die auch an dieser Stelle wertungstechnisch zu wohlwollend aufgerundet worden seienden) Concrete and Gold und Medicine at Midnight allesamt aus verschiedenen Gründen (mit dem langweiligen Songwriting als größten gemeinsamen Nenner) ziemlich enttäuschende Egalitäts-Rohrkrepierer.
Allerdings ist der einzige gravierende Vorwurf, den sich But Here We Are als Haltung zeigende Grundsatzplatte gefallen lassen muß, jener, das die Produktion von Greg Kustin (wieder einmal) viel zu harmlos angelegt ist, nicht den nötigen schroffen Kampfgeist zeigt, um wirkliche Ecken und Kanten zu provozieren, zumal der Mix viel zu wenig Energie erzeugt (wie kann bitte alleine das Schlagzeug derart mittig im Raum verschwendet werden?) – exemplarisch nachzuhören alleine schon in Nothing At All, das sich geduldig zum aufs Gaspedal steigend-polternden Ohrwurm tastet, dabei aber nie exzessiv aus sich herausgehend und so etwas beiläufiges behält, anstelle die Zügel fest anpackend enger zu ziehen. Wenig Reibung, überschaubare Spannung – und dennoch ist das elfte Album der Gruppe weniger Durchhalteparole, als ein revitalisierendes Requiem.
Sicher ist But Here We Are dabei kein makelloses Werk. Es ist (zumindest was die stilistische Artikulation angeht) überaschungsarm – aber eben auch eine über allen Erwartungen abliefernde Rückkehr zur elementaren Kernkompetenz der Rockband Foo Fighters zelebrierend, das so viele Tugenden von Grohl und Co. mit einer Treffsicherheit an den Tag legt, wie man das nach den Vorgängeralben kaum noch für möglich gehalten hätte. Doch durch das Ableben von Taylor Hawkins (der hier am Schlagzeug von Grohl himself ersetzt wird und dessen Ableben sich textlich durch die gesamte Platte zieht) scheint der Blick der durchaus ambitioniert neuen Herausforderungen hinterherjagenden Band auf das Wesentliche gelenkt worden zu sein: tolle, emotional zündende Songs.
Gleich das polternde, schrammelnde und galoppierende Rescued hat eine so optimistisch treibende Aufbruchstimmung, dass man spätestens beim kraftvoll beschworenen Höhepunkt an die Heydays der Foos denken darf. Dass der Opener rund eine Minute zu lang ausgefallen ist, weil strukturell zu formelhaft der Refrain am Ende noch einmal ausgepackt werden muss, ist übrigens ein Ärgernis, dem sich auch der Titelsong als Konstrukt aus rhythmischen Variablen mit seiner epischen Geste und Synth-Patina in leidenschaftlicher Inbrunst hinter dem Klimax schuldig macht.
In beiden Fällen ist dies nicht weiter tragisch – aber ein Sinnbild dafür, welche Kleinigkeiten But Here We Are davon trennen, ein wirklich herausragendes Album zu werden .
Das sinnierendere Hearing Voices perlt schön kontemplativ, braucht jedoch ein bisschen, um die Strophe wirklich mit dem Refrain harmonieren zu lassen, bevor Grohl im Acoustic-Geklimper ausfadet (und The Glass als Folgetrack hinsichtlich des Sequencings nebenbei bemerkt die bessere Wahl als der Titeltrack gewesen wäre) – ein nicht wirklich rundes Ganzes von einem Song, doch Ausfälle gibt es auf But Here We Are keine.
Erwähntes The Glass erwacht mit zurückgelehntem Grohl an der Gitarre zum gepflegten Band-Panorama und in Show Me How bekommt der Bandchef Unterstützung von seiner Tochter Violet als sphärische Gehilfin in einem sanften Duett im Kontrast aus elegisch zappelndem Shoegaze, das sich genau genommen nirgendwohin entwickelt und auf gefällige Weise mäandert: eine feine Facette für die Veteranen.
Nach dem wirklich fantastisch gelösten Ohrwurm Under You als catchy mit umwerfend knarzigem Bass aus der Hüfte rockenden Radio-Aushängeschild finden sich die eigentlich Highlights aber im letzten Drittel der Platte, wenn all die arenataugliche Trauerarbeit auch vor sentimentaler Direktheit nicht zurückschreckt.
Wie Beyond Me eine in seiner epischen, hymnischen Stimmung verweilt, gediegen und anmutig, bevor die Foo Fighters in den Himmel der Classic Rock-Opulenz aufsteigen, ist schon toll. Doch die Band will noch mehr: The Teacher breitet sich als zehnminütiger Epos aus, der vielleicht nicht die Gesamtheit seiner Spielzeit objektiv betrachtet rechtfertig, als einzige, zumindest relative Annäherung an die vor Taylor’s Ableben noch anvisierte „Insane Rock Record“ aber auch keine Längen kennt, wenn sich die Gitarren an subtilen Streichern sachte aufschaukeln, um mit einer unaufgeregten Lässigkeit auf den Highway zu ziehen, sich nach und nach aufbäumen, durchatmen, wieder anziehen und Wehmut pflegen, in den Kosmos von The Cure abtauchen, Frieden finden und nach der Reibung an der Distortion abrupt den Stecker ziehen: „You showed me how to breath/ You showed me how to be/ Never showed me how to say goodbye“.
Der intim beginnende Epilog Rest, den die Band als Geleit bald würdevoll und andächtig trägt, bis die Verstärker und Synthies dezent braten und sich auch abschließend optimitische Referenzen an Grohls im Vorjahr verstorbene Mutter auftun („Wakin‘ up, had another dream of us/ In the warm Virginia sun, there I will meet you“), schafft es dann sogar, etwas zu erzeugen, was keinem Foo Fighters-Album seit Wasting Light mehr gelang: Gänsehaut.
Der Preis dafür war freilich unfassbar hoch – dass But Here We Are allerdings wie eine Frischzellenkur für die von der Schockstarre aus Sackgassen geholten Foo Fighters wirkt, die ohne Hawkins nicht möglich gewesen wäre, darf als würdiger Epitaph für den 2022 das irdische Dasein verlassen habenden Mitstreiter verstanden werden – wie auch als weitere, endlich wieder relevante Säule für das Vermächtnisses der Foo Fighters an sich.
Leave a Reply