Fontaines D.C. – Skinty Fia
Kein Grund zum Fluchen: Fontaines D.C. kehren auf Skinty Fia in ihre Heimat zurück um die Erkenntnisse zu übersetzen, die rund um das zwei Jahre alte A Hero’s Death die Perspektiven erweiterten.
Fontaines D.C. haben wahrlich eine tolle Entwicklung vollzogen: einen Schritt wie ihn das starke Zweitwerk A Hero’s Death nach dem okayen Debüt Dogrel tat, war wahrlich kaum zu erwarten – und diesen Reifeprozess zu bestätigen ist ja auch keine Selbstverständlichkeit.
Skinty Fia macht nun allerdings direkt dort weiter, wo der Vorgänger zu überzeugen wusste, auch wenn die Iren diese Erkenntnis auf den Erstkontakt beinahe unter Wert verkaufen zu wollen scheinen. Schließlich stechen erst nur wenige Songs markant aus dem stilistisch und ästhetisch ähnlich wie die 2020er Platte gepolten Werk.
Der feine Opener In ár gCroíthe go deo baut Spannungen sorgsam auf, nimmt über lethargisch schwelgende Backing-Gesänge mantraartig Anlauf und fällt dann in einen eigenwilligen Madchester-Groove, der alles kann, was DMA‘s seit Jahren versprechen, aber nicht halten, während die Band so dringlich wie unaufgeregt im konstanten Drive schrubbelt und schrammelt. Die Vorab-Single Jackie Down the Line bleibt als smarte Britpop-Nummer, die ihre Melodie so nonchalanter aus dem Handgelenk schlängelt, ein Hit – gewinnt aber im Albumkontext an Tiefe. In The Couple Across the Way lässt (beinahe alleine) eine Ziehharmonika den allgegenwärtigen Traditionalismus schwermütig pendeln – eine unorthodoxe, ideal gewählte Atempause nach der immer dichter werdenden Dynamik davor, bevor
I Love You mit perlenden The Cure-Gitarren, munteren Drums, stampfendem Klimax und später auch ärgerlich aufbrausender Klinge die Frage in den Raum wirft, wie Romantik so traurig und hoffnungslos klingen kann. Das heavy mit grummelndem Bass und scharfkantigen Gitarren in Trance aufkochende Nabokov spannt danach auch mit seinen Backingvocals den Rahmen um Skinty Fia.
Diese unmittelbar herausragenden Songs können auf den ersten Blick einen Schatten auf das restliche Gefüge dazwischen werfen, es kompositorisch zu stark auf das atmosphärische Gewicht der Platte gelegt plätschernd wirken lassen. Als Grower erreicht Skinty Fia allerdings nach und nach beinahe das Niveau seines Vorgängers, das simple Songwriting wird durch die reichhaltige Stimmung mit einsamer Wärme ausgewogen. In einem feinen, unaufdringlich subtilen Fluss entwickeln repetitive Elemente und sorgsame Texturen etwas hypnotisches, schälen die Klasse der Nummern deutlicher hervor.
Big Shot traumwandelt mit düsterer Grandezza aus einer Paralleldimension der 80er von Disintegration zur kontemplativen Vergangenheit von The Twilight Sad und How Cold Love Is lässt sich fast meditativ um seine titelstiftende Hook treiben. Die melancholisch schwofende Post Punk-Hommage an Ulysses namens Bloomsday kommt niemals an, doch der Weg ist das sogwirkende Ziel, während man den Gitarren in der somnambule Sehnsucht Roman Holiday mit geschlossenen Augen überall hin folgen würde und der Titelsong wirkt, als hätte sich die Rhythmussektion einen tanzbaren Club-Remix hingegeben, ohne die Ästhetik deswegen auch nur einen Millimeter aus dem homogen-transparenten, manchmal fast goth-shoegazenden Sound der Platte fallen zu lassen.
Die Iren agieren auch dabei abgeklärt und unverbraucht, gehen im gesteigerten Lokalkolorit alleine beim alltäglich fluchenden gälischen Titel auf. Manchmal beinahe so, als wären Joy Division eine hassliebende Britpop-Band gewesen. Das muß keine Begeisterung hervorrufen, aber eine so reizvolle bestätigende Zufriedenheit.
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