Fontaines D.C. – Romance
Runder, massentauglicher, poppiger: Fontaines D.C. erfinden sich nach drei Alben im Post Punk mit Romance zwischen 90er Nostalgie und dem zeitlosen Existentialismus des Britrock ein gutes Stück weit neu.
Am imposantesten gelingt diese, über die vorausgeschickten Singles eigentlich bereits bestens vorweggenommene Entwicklung im Herzstück der Platte sowie ihrem Ausklang. In the Modern World ist eine sinnsuchende Schönheit von einem Song, derren drogeninduzierte Realitätsflucht an Lana del Rey denkt und über ihre fast Stadion-tauglich das Feuerzeug schwenkende Sehnsucht gemeinschaftlich den Chor und elegante Streicher erblühen lässt. Favourite legt dagegen eine niedliche Unbeschwertheit und Aufbruchstimmung an den Tag, wirkt so versöhnlich gelöst, um die Veränderungen im familiären Umfeld der Band mit dem Blick auf die eigenen Kindheiten zu verbinden, und hat um die mutmaßliche Twin Peaks-Referenz im Text die Ästhetik von hittauglichen The Cure.
Damit führen Fontaines D.C. ihr viertes Studioalbum auch explizit zu einem Ende in einem optimistischen Licht, nachdem der Einstieg mit dem Titelstück (einem hintergründig sinister schleichenden Hybrid aus Grunge- und Industrial-Ahnung) trotz des textlich wahlweise hoffnungsvollen Conclusios düster und beklemmend ausgefallen ist. Wie der Opener mit aller Ruhe den postapokalyptischen Abgrund auftut, passiert übrigens durch die knappe Spielzeit höchstens nicht konsequent genug – das Talent der Band, ihre Songs selten über Gebühr zu strapazieren, hätte hier gerne zugunsten eines exzessiveren Ansatzes weichen dürfen.
Überhaupt ist Romance kein Knockout, sondern ein Sieg nach Punkten. Wo das Material der Platte auf den ersten Blick weniger interessant, weil stets offensichtlicher angelegt, als auf den Vorgängern anmutet, erweist sich das Viertwerk gerade in Summe als Grower und der zugänglichere Ansatz als Katalysator für einen langhaltenden Reiz – auch wenn das letzte Quäntchen Intensität dabei noch fehlt. Bug lehnt sich symptomatisch für diesen Umstand halbakustisch zurück und ist vielleicht einer der Songs, die DMA‘s nie gelingen wird, doch haftet dem Stück auch immer noch etwas unverbindliches an: Fontaines D.C. gelingt es fantastisch, Szenarien zu vier Fünftel auszulegen, tolle Melodien und Stimmungen zu etablieren, doch der den Sack zumachende geniale Killer-Punch fehlt zumeist.
Indem sich das Quintett ein gutes Stück weit von seinen Wurzeln löst – auch, indem es beispielsweise Stammproduzent Dan Carey gegen Megaseller James Ford tauscht, oder der irischen Fokus einer kosmopolitischen Perspektive weicht – sorgt der Abstand durch den Schritt zurück für den Blick auf das bisher rundeste und gleichzeitig stilistisch auch vielschichtigste Album der Band. Wobei das Augenkrebs-erregende Artwork von Romance dem Wesen der Musik auf paradoxe Weise durchaus stimmig entspricht.
Starbuster läuft im Beat beinahe am dringlich zurückgelehnten Beat dahin, schnauft mit Schnappatmung im trancehaft skandierten Refrain, bevor die malerische Bridge diesen mit seinen beatlesken Arrangements den Pop beibringt. Here’s the Thing legt seine catchy Kopfstimme unter einem 90er-Schleier und das ruhige Desire dampft orchestral zischend, um den melancholischen Knopf im getragenen Midtempo zu lösen: sich auf Fontaines D.C. als Konsens zu einigen, war noch nie einfacher als jetzt.
Motorcycle Boy klampft schrammelnd über halluzinogenen gekippte, repetive Texturen, die beschwörend zu pulsieren beginnen und Sundowner schwelgt shoegazend zum sanften Reverb einer betörenden Dreampop-Eleganz, bevor Horseness Is the Whatness nachdenklich die Fusion aus orchestraler Größe und Reduktion anvisiert.
Das unscheinbare Death Kink unterstreicht so eingängig wie gefällig dagegen relativ flüchtig ein paar Eindrücke. Dass der Niveau-Unterschied zwischen den Highlights und den Füllern sich angenehm angepasst hat, obwohl es im Verlauf viel mehr erinnerungswürdige Szenen gibt, als bisher. Und dass Romance mit seiner gestiegenen Glätte und Massentauglichkiet genau jene Ingredienzien in den Fontaines D.C.-Kosmos beigemengt hat, die man subjektiv bei Dogrel, A Hero’s Death und Skinty Fia vermissen konnte. Oder, dass sich die 37 Minuten des Paradigmenwechsels dabei allerdings auch noch ein bisschen wie ein Übergangsalbum anfühlen können.
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