Foals, Everything Everything [26.01.2016: Gasometer, Wien]

von am 28. Januar 2016 in Featured, Reviews

Foals, Everything Everything [26.01.2016: Gasometer, Wien]

Nicht zuletzt angesichts der Qualität ihrer aktuellen Studioalben ‚What Went Down‚ bzw. ‚Get to Heaven‚ (und der damit verbundenen Distanz der beiden Platten in unseren 2015er-Jahrescharts) konnte man im Vorfeld durchaus die Frage stellen, ob eine umgekehrte Reihung im Line Up nicht auch Sinn ergeben hätte. Spätestens das schier atemberaubend Live-Feuerwerk von Yannis Philippakis und Co. rückt die Perspektiven jedoch gerade und klärt die Chefkompetenzen am Livesektor.

Man kann Everything Everything dabei rückblickend eventuell vorwerfen, dass sie den Abend strategisch nicht besonders günstig angehen, die immensen Vorzüge ihres elektronikschwangeren Indie-Artrocks zumindest nicht allzu aufdringlich feilbieten. Das beginnt beim Merchangebot, das bis auf die Standard CD Version des aktuellen Albums nicht existiert (dabei böte es sich doch gerade mit einem derart wunderbaren Artwork wie jenem von ‚Get to Heaven‚ förmlich an, die Fans mit etwaigem Utensilien einzudecken) und mündet in der Wahl der Setlist, die vor allem jenem Teil des Publikums den Zugang erschwert, die mit den durchaus gefinkelten Songs des Quartetts aus Manchester nicht vertraut sind: Der Fokus liegt verständlicherweise auf dem Drittwerk der Band, doch die Hits werden nicht auf das Fießband gezerrt, man steht sich in seinem abgehakten Spielfluss bisweilen sogar eigenwillig selbst im Weg.

Everything Everything Live @ Gasometer

Wortlos marschieren die Engländer zum einleitenden Elektrogeplugger auf die Bühne, legen wortlos mit ‚To the Blade‚ los und verpassen ihren Songs sofort einen härteren, basslastigeren Sound. Gleichzeitig klingt dieser – ganz im Gegensatz zu der vollen, den Raum erfüllenden Klangwand, die Foals später aufbauen sollten – immer wieder irritierend dünn und nur an der Oberfläche agierend.
Mit ihren retrofuturistischen, individualisiert geschnittenen Einheitsübergewändern wirken Everything Everything dabei wie technoid-hibbelige Prediger, ein bisschen verloren in der Location dazu, deren unermüdlich herausfordernde Songs nur bedingt den Draht zu weiten Teilen des Publikums finden; selbst eine grundlegende Motivation, die facettenreiche Gesangsperformance von Jonathan Higgs, unermüdliche Animationsversuche seitens des Tourkeyboarders Peter Sené und ein Reigen aus Songs wie ‚Kemosabe‚ bis zum gitarrenjammend ausgewalzten ‚Get to Heaven‚ können den Funken nur bedingt überspringen lassen.
Erst mit dem grandiosen ‚Spring/ Sun/ Winter/ Dread‚ schmilzt das Eis. Das darauffolgende ‚No Reptiles‚ gerät in der Spannweite aus minimalistisch hämmernden Rhythmen, elegant ungezügelten Gitarren und Higgs‘ emotionaler Zauberstimme gar zum epischen Monolithen, bei dem sich auch das Publikum textsicher zeigt: Ein Highlight des Abends. Dass unmittelbar darauf aber der extrem nervöse ‚Arc‚-Opener ‚Cough Cough‚ nachgelegt wird hinterlässt eine gewisse Ratlosigkeit, die auch der abschließende ‚Distant Past‚ nicht ganz korrigieren kann: Der vermeintliche größte Hit der Kombo wird enorm wohlwollend, aber in Relation zu seinem zündenden Ansteckungsgrad doch auch  verhalten gefeiert. Man mutmaßt: Als Mainact mit der als Headliner zelebrierten runden Setlist funktionieren Everything Everything sicherlich noch besser – an diesem Abend spielen sie dann allerdings merklich doch nur die zweite Geige.

Setlist:

To the Blade
Blast Doors
Kemosabe
Get to Heaveno
Zer Paraoh
The Wheel (Is Turning Now)
Spring/ Sun/ Winter/ Dread
No Reptiles
Cough Cough
Distant Past

Keinerlei Anlaufschwierigkeiten zeigen nämlich die zur Indiemacht aufgestiegenen Foals zum Tourstart: Gleich das präzise groovende ‚Snake Oil‚ geht ordentlich in die Vollen, im nachgelegten ‚Mountain at My Gates‚ entwickelt sich der erste Pit, der sich bis zum monströsen ‚Providence‚  zu einem schweißtreibenden Tummelplatz ausgewachsen haben wird: An der Umtriebigkeit, mit der sich die Zuschauermasse an diesem Abend ausgelassen durchwürfelt, kann sich sogar so manche Hardcoreshow ein Beispiel nehmen. Stillstehen ist da praktisch unmöglich, der Schweiß fließt enthusiastisch, Spotlight-Magnet Yannis Philippakis hat die Menge unmittelbar im Griff und die zwingende Performance wird vom begeisterungsfähigen Publikum multipliziert.
Auch das Drumherum sitzt perfekt: Die Lichtshow gibt sich enorm stimmungsvoll und effizient, der Sound (bis auf zu leise Vocals zu Beginn sowie hinten raus knallender Überraschungseffekte und leicht rückkoppelnden Problemen in ‚A Knife in the Ocean‚) ist von der ersten Sekunde an dicht gestaffelt, drückt fett aus allen Rohren, lüftet aber in den ruhigen Momenten sphärisch durch.  Ein ‚Spanish Sahara‚ wird live zwar nie die vielschichtige Texturiertheit der Studioaufnahme erreichen, schmiegt sich aber dennoch nahe an eine geradezu an die Gänsehaut. ‚Olympic Airways‚ lädt zielstrebig zum Träumen ein und ein ‚London Thunder‚ gewinnt in diesem Rahmen gleich nochmal an magischer Intensität – mehr Smartphones als hier sind folgerichtig gefühltermaßen bei keinem anderen Song des Abends in der Luft, bevor im majestätisch ausgedehnten ‚A Knife in The Ocean‚ die verzweifelt strahlende Schönheit der Nummer in aller Breite erkundet wird. Nicht nur hier zeigt sich, dass die Songs der letzten beiden Studioalben live einfach (noch) besser funktionieren, als auf Konserve.

Foals @ Gasometeter 3

So ist es in erster Linie allerdings doch auch der richtiggehend bestialische Druck, den die direktesten Songs der Band erzeugen, der von diesem vor mitreißender Energie pulsierende Abend in Erinnerung bleiben wird. Trauert man auf den aktuellen Studioalben immer noch der atmosphärischer breitgestreuten Tiefe von ‚Total Life Forever‚ nach, haben Foals die arenatauglichere, zur knackigeren Livepräsenz maßgeschneiderte Ausrichtung von ‚Holy Fire‚ und ‚What Went Down‚ auf der Bühne verinnerlicht und annähern perfekt destilliert: Jeder sich zuspitzende Spannungsbogen wird in unerbittlich umspülenden Wellen zelebriert, ekstatisch explodierend aufgelöst, man fiebert jedem detonierenden Ausbruch hungrig entgegen.
Beim durch die Zugabenpause gespaltenen Doppel aus ‚Inhaler‚ und ‚What Went Down‚ (Philippakis lässt sich schon davor in einer Aura aus Unnahbarkeit und unmittelbaren Anpeitscher von der Menge tragen, kippt an der Bar einen Jägermeister und surft zurück auf die Bühne) brechen so alle Dämme, selbst der gefinkelt um die Ecke gedachte Mathrock vom finalen Rausschmeißer ‚Two Steps Twice‚ wird zum gnadenlosen Maltrom und beendet die ausgewogene, nur wenige Wünsche offen lassende (mit insgesamt knapp eineinhalb Stunden längentechnisch auch ideal ausbalancierte) Setlist  triumphal. Begeisterte Reaktionen nach der Show bestätigen es dann: Subjektiv setzen die über den Erwartungen vor Kraft strotzenden Foals aktuell tatsächlich die Massstäbe für packenden Indierock am Livesektor.

Foals @ Gasometer 4

Setlist:

Snake Oil
Mountain at My Gates
Olympic Airwaves
My Number
Blue Blood
London Thunder
Providence
Spanish Sahara
Red Socks Pugie
Late Night
A Knife in the Ocean
Inhaler

Encore:

What Went Down
Two Steps, Twice

Foals @ Gasometer 2

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