First Fragment – Gloire Éternelle
Was Philippe Tougas anfasst, wird zu Metal-Gold: Im Jahr, nachdem Stygian Doom-Jahrgangsbester wurde, greift er mit dem First Fragment-Zweitwerk Gloire éternelle nach der Technical Death Metal-Krone.
Wobei diese Kategorisierung deutlich zu kurz greift, so viel macht schon der Opener und Titelsong klar. Wenn schwindelfreie Flamenco-Elemente auf den funkigsten Fretless Bass treffen, der in den Händen von Vincent Savary mit seinem melodischen Freigeist weit vorne im Mix jubiliert und First Fragment fünf Jahre nach dem barocken Dasein nicht nur in La veuve et le martyr klingen, als würden neoklassizistische Metalband a la Rhapsody mit der technischen Finesse von Kombos wie Stortregn oder Archspire eine feurige Jam-Session in Spanien starten, deren melancholisches Fernweh von den plötzlich auftauchenden Primus aus der Jazz-Perspektive in den Prog gelenkt wird, bis gar ein paar punkige Backingshouts randalieren.
Wo die sportlich growlenden Vocals von David Alexandre Brault-Pilon im direkten Vergleich zu den instrumemtalen Ingredienzen übrigens geradezu konventionell, oder zumindest weniger exzentrisch ausgefallen sind, ist dies auch ein Faktor, der zur unprätentiösen Erdung beiträgt.
Klingt trotzdem nach einem Overkill – und das ist es in vielerlei Hinsicht auch. Doch mehr ist in diesem Fall tatsächlich nicht zu viel, selbst wenn Gloire éternelle mit knapp 72 Minuten Spielzeit natürlich zu lang geraten ist, sich einige Passagen schon wie das Finale des Spannungsbogens anfühlen. Etwa Sonata en mi mineur, das wie eine Rodrigo y Gabriela-Sause die Fertigkeiten der Musiker auf ein Podest stellend verabschiedet, nur um dann mit Ataraxie hungrig weiterzugehen, als wäre der übergeordnete Fluss nie zu einem vorübergehenden Ende gekommen und mit Soif brûlante sogar eine neue Stufe der Dringlichkeit zu starten.
Der tatsächliche Schlusspunkt von Mort éphémère als ambienter Gitarren-Epilog hat dann für 128 Sekunden etwas Herr der Ringe-artiges, wäre so als separate Abschiedsszene nicht nötig gewesen, weil der epochale Mikrokosmos In’el über 19 Minuten aus der Klaviatur erwachsend, episch gniedelnden, den Horizont hinaus bis zum Doom und Blastbeats strebend, ohnedies schon ein triumphales Schaulaufen samt erhebendem Finale (und etwas faulem Fade Out, was so im Kontext dann jedoch wieder klargeht) wäre.
Man hätte das fabelhafte Gloire éternelle also gut in ein Album samt EP-Trabanten aufteilen können. Aber auch so ist das Zweitwerk der Kanadier zu wirklich keiner Sekunde langweilig, hält alleine mit seiner Spielfreude ständig an der Stange, lässt enthusiastisch grinsen, passt aber auch das Songwriting an die Ambitionen an und jagt schlüssig die Hooks und starken Szenen, selbst wenn ein De chair et de haine erst „nur“ wie die bestmögliche Legitimation anmutet, ein nicht enden wollendes, so verdammt geiles Solo immer höher strebend zu lassen.
Seine Aufmerksamkeit alleine auf die Anwesenheit von Philippe Tougas zu stützen funktioniert bei diesem Spektakel also nicht und untergräbe zudem ohnedies die Qualitäten des Quartetts, das als Schmelztiegel der Quebecer-Szene euphorisch mit der Zunge schnalzen lässt. Dass es schon jetzt spannend ist, welches seiner Projekte der 30 jährige 2022 aus der Garage holen wird, ist hiernach sicher dennoch verständlich.
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