First Aid Kit – Who by Fire
Die Ausgangslage ist eine denkbar undankbare: Die Söderberg-Schwestern Johanna und Clara interpretieren auf Who by Fire mit einer Wagenladung an Gästen Songs, bei denen sie sowohl gegen die Originale von Leonard Cohen, wie in wenigen Ausnahmefällen sogar auch gegen vorangegangene Coverversionen, nur verlieren können.
So gesehen muß man der Gala ihre Trittsicherheit von vornherein hoch anrechnen, zumal nur wenige Passagen danebengreifen. Einerseits jene, in denen sich die beiden Schwedinnen (vor dem Hintergrund einer achtköpfigen Band samt Streichern, zwei Schauspielern sowie für zwei Nummern auch von einem Chor unterstützt) in der Inszenierung zu nahe an die Hohheitsgebiete von Cohen wagen und dessen unnachahmlichen, unerreichbar magischen Sprechgesang nicht durch die Melodik ihrer Singstimmen aufwiegen, sondern (meist) Nina Zanjani rezitieren lassen. Nummern wie ein ambientes Tired, das stampfende The Future, ein (im Verlauf, wenn sich immer mehr einsetzende Stimmen wie im Rausch zu überlappen beginnen) eindringliches The Asthmatic oder auch Prayer for Messiah scheitern jedoch an der immer gleichen, distanziert mahnenden Intonation und lassen Who by Fire beinahe wie eine operettenhafte, prätentiöse Laientheater-Aufführung anmuten. Dass unterstreicht gerade das abschließenden You’d Sing Too, in dem die Spoken Word-Performance mit einer gelösten, lockeren und unangestrengt natürlichen Authentizität ganz wundervar entlässt.
Andererseits kann man subjektive Probleme mit der Darbietung einiger Gäste haben, die First Aid Kit an zwei Abenden im Dramaten-Theater in Stockholm im März 2017 geladen hatten – gerade, wenn männliche Kollegen die Bühne betreten.
Loney Dear liefert an der Klaviatur von Avalanche schließlich eine gar zu bemüht leidenschaftlich und hingebungsvoll gemeinte Performance, will mit der Brechstange emotional aufwühlen. Jesper Lindell macht seine Sache in Chelsea Hotel #2 etwas besser, das Americana-Lagerfeuer hält seinen schmalzig Pathos aus (obgleich es symptomatisch ist, dass die Nummer erst weich der Seele schmeichelt, wenn Söderberg übernimmt), wohingegen er Show Me the Place irreparabel schädigt, indem er dem an sich zurückgenommenen Kleinod alles injiziert, was man an Mumford & Sons stimmlich verabscheuen kann. Im Gemeinschaftsprojekt So Long Marianne neigt dann die versammelte Mannschaft zu einer selbstgefällig schunkelnden Revue.
In Everybody Knows klimpert die Bläser-Dramatik bereits dringlicher nach vorne, doch verliert Frida Hyvönen durch das flotte Arrangement irgendwann den Zugriff auf die Interpretation – erst die einsteigenden Schwestern finden ihn wieder – wohingegen If it Be Your Will getragenen Anmut und ein tolles Memphis Soul-Flair zeigt, doch neigt die Kombination aus Streichern und First Aid Kit-Gesang zum Kitsch. Das ist allerdings stimmiger, als wenn Maja Francis in Famous Blue Raincoat / Anthem mit quietschend-nervende Stimme nur bedingt zum polternden Understatement der wavig schraffierten Nummer passt, im Verbund mit den bittersüßen Violinen fast schrill anmutet.
So negativ dies dann auch vielleicht alles klingen mag, ist es doch eher eine auch durch die Fallhöhe bestimmte Kritik und weniger etwas, was Who by Fire per se falsch machen würde – oder das Freunde des gepflegten (skandinavischen) Indie Folks daran hindern sollte, sich in diese vor allem als Ganzes wirklich gelungene Hommage zu verlieben.
Dafür sorgen alleine all die mal schüchternen, mal expliziteren Highlights des Auftrittes. Wenn Suzanne etwa mit minimalistischen Mitteln eine zauberhafte Wärme erzeugt, die Stimmen in ihrer wohligen Harmonie atmosphärisch verwöhnen. Oder wenn Sisters of Mercy ein jazziges Besen-Schlagzeug samt Glockenspiel unaufgeregt im Lounge-Modus wiegt und Who by Fire / As the Mist Leaves No Scar wunderbar in Schüben sprießend zum gepflegten Jam rumpelt. Der Psalm You Want It Darker wächst durch die Chorunterstützung zu sakraler Majestät, auch wenn das Finale ein wenig über die Stränge schlägt, während die A Capella-Version von Bird on the Wire auf das wesentliche reduziert die Vorzüge der Tribut-Veranstaltung praktisch destilliert. Über allem steht dennoch – und irgendwo doch: ausgerechnet! – Hallelujah, in dem Annika Norlin in ungefilterter Intimität für Gänsehaut sorgt, bevor die Rhythmussektion mit eindringlicher Präsenz erwacht.
Dann machen First Aid Kit und ihre Truppe nicht nur das beste unter der hohen Erwartungshaltung, sondern mutmaßlich etwas, woran auch der Meister seine Freude gehabt hätte.
Kommentieren