Fences – Failure Sculptures
Leisetretender Folkpop, der niemandem wehtun will: Failure Sculptures ist weniger eine grundlegende Imagekorrektur für Christopher Mansfield, als dass er sein Alias Fences viel mehr überhaupt erst zu sich selbst finden lässt.
Zugegeben: In Unkenntnis der bisherigen Diskografie der nominellen Band aus Seattle kann man ob der gesichtstätowierten Optik ihres Mastermindes und Aushängeschildes Mansfield schon dem Irrglauben aufsitzen, es im Falle von Failure Sculptures mit einem weiterenVertreter des unsagbaren Cloudrap-Trends run um „Lil XYZ“ und Co. zu tun zu bekommen.
Schon die ersten Sekunden des dritten Fences–Studioalbums belehren dann allerdings eines besseren. Und ein kurzer Backcheck der Veröffentlichungen Lesser Oceans (2015) oder des selbstbetitelten Debüts (2014) zeigt zudem, dass Mansfield bisher keineswegs für zuckende Dosenbeats, sondern vornehmlich eher für (austauschbaren) Pop der (generischen) Synth-Art verantwortlich zeichnete.
Verpasst hat man bisher also wenig, zumal selbst Kooperationen mit Tegan and Sara oder Chris Walla, und sogar anvisierte Semi-Hits wie das von der prestigeträchtigen Macklemore & Ryan Lewis-Starqualität gepushte Arrows kaum Eindruck hinterlassen haben. Failure Sculptures ist insofern jedoch durchaus als geschmackvolle, stilistische Kurskorrektur und Feinjustierung zu verstehen. Symptomatisch ist nun Cedric Bixler-Zavala in der Gästeliste – neben dem brilliant nuanciert produziert habenden Betreuer Patrick Damphier („In some ways the album is as much his as it is mine„) – zu finden, der für das aus dem Hall heraus erhebende Brass Band ein paar (ehrlicherweise kaum auszumachende) Heartbreaker-Zeilen beisteuerte.
Failure Sculptures verortet sich sschließlich entspannter beim Indie und Folk, bei frühen Lord Huron, Damien Rice, José González, Syd Matters und den zurückgenommesten Lagerfeuermomenten von Death Cab for Cutie: Mansfield setzt vordergründig alleine auf eine Akustikgitarre und seine behutsame Stimme, absolut simples Songwriting und minimalistische Strukturen, ohne viel Brimborium in den zurückhaltenden Arrangements, aber viel Tiefe in der bewegenden Atmosphäre.
Fences lässt die Leichtigkeit der Musik die melancholische Schwere der sehnsüchtig-nostalgischen Texte tragen, die selbst auf Konfrontationskurs mit der eigenen Komfortzone nie einen gewissen Wohlfühlbereich verlassen. So variiert die Dynamik und Spannung höchstens dezent, schraubt Fences nur bedächtig an Tempi und Intensitäten. Die zehn Songs geben sich stets enorm zart und einfühlsam, weich, anmutig und sanft. Die Melodien sind allesamt nett und eingängig, schon beim ersten Begegnung fürsorglich und gefällig, hallen hier rund da allerdings nur bedingt wachsend nach, sind Trostpflaster mit Momentum. Ein Lillia etwa hat man im schwächsten Fall praktisch bereits unmittelbar nach dem Konsum vergessen – ohne Fences dafür auch nur ansatzweise zu grollen oder nachtragende Egalität zu spüren – die 36 Minuten von Failure Sculptures lassen sich kuschelig in einem Stück ohne gravierenden Qualitätsabfall durchhören.
In einer zutiefst angenehmen Unaufdringlichkeit findet Mansfield schließlich durchaus eine ätherische, entschleunigende Authentizität, durch die man die gewisse Gleichförmigkeit der Platte verzeiht. Ohne restlos herausragende Momente legt man sich gerne in diese anschmiegsame, mediative Schönheit, die sich so entspannt und behutsam entfaltet. Dass Mansfield erzählt, wie ihn die Emotionen während der Aufnahmen übermannten und er den Recording-Prozess weinend unterbrechen musste, wirken in Gegenüberstellung zur bescheiden bleibenden Ästhetik eines Albums geradezu plakativ, das lieber subversiv in den Arm nimmt, still aufbauend die Tränen fortlächelt. So reihen sich die tollen Szenen viel mehr wie heimliche Lieblingsmomente aneinander.
A Mission pflegt einen getragen-schunkelnden Beat und leise Chöre neben ein bisschen Danger Mouse-Flair, Mainsfield intoniert wie Benjamin Gibbard, ein paar noisige Gitarren schwelgen durch den Hintergrund, ohne unfreundlich zu werden. Paper Route folgt seinen „Uhuuuhuuu“-Harmonien wenig aufregend in einen gepflegt schippernden, vergänglichen Ohrwurm-Refrain und Same Blues addiert ein dezentes Cello zum vorsichtig gezupften Gitarrenspiel. The Park evoziert mit seiner Snare und den sommerlich perlenden Saiten melancholische Träume an Vondelpark, während das absolut hervorragende Wooden Dove seine eingängigen Hooks mit feuchten Augen auf einer einsamen Veranda in der versöhnlichen Abendsonne streichelt. Pure Schönheit!
Der Titelsong mutet dagegen wie Calexico ohne Gringo-Rock und TexMex-Ambiente, dafür aber einer flauschigen Decke am Lagerfeuer an, und in War Kid dürfen die begleitenden Gitarren ein bisschen markanter bratzen, wo Harmonien und veränderte Stimmlagen für mehr Abwechslung im Gesang sorgen.
Wenn God Music mit Slide-Einsatz und Reverb ein wenig weiter in die Prärie hinaustreibt, das Schlagzeug die brave Nummer irgendwann öffnen darf, kann man sich zudem ausmalen, dass zumindest der Closer live ja vielleicht zu dem auslaufenden Spektakel werden könnte, dass das Album – leider? – nie sein will. Die richtige Stimmung ist hierfür eben unablässig, um nicht einer plätschernden Weichspül-Langeweile anheim zu fallen. Im richtigen Augenblick streichelt Failure Sculptures dafür das Herz nahe der Formvollendung.
„I just want to give people Goosebumps“ erklärt Mainsfield die Intention der Platte – und nimmt eine Fallhöhe vorweg, an der Failure Sculptures als wundervoll trauriger Seelenbalsam auf bestmögliche Art scheitert, wenn jedwede ergreifende Aufgewühltheit gegen eine beruhigende Ausgeglichenheit getauscht wird: Quasi nebenbei gehört erschafft das dritte Fences-Werk eine durch und durch liebenswerte kleine Blase vom Alltag.
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