Feine Sahne Fischfilet – Scheitern und Verstehen

von am 13. November 2012 in Album

Feine Sahne Fischfilet – Scheitern und Verstehen

Beim Erstkontakt mit Feine Sahne Fischfilet sollte man schonmal vorausschicken: der flotte Punkrock der „gefährlichsten Band Vorpommerns“ ist nie so platt wie ihr Name suggeriert oder ‚Komplett im Arsch‚ sich als erste Single liest. Und die Sache mit dem Verfassungsschutz macht sich sicher gut als ausgeworfener Promotion-Gag, ist aber letztendlich – und traurigerweise -nur großer Unsinn. 

Aber der Reihe nach. Feine Sahne Fischfilet haben einen beknackten Namen, der per se bereits misstrauisch machen muss. Generell schwingt den elf Songs auf ihrem dritten Album auch tatsächlich ein marginaler Trash-Faktor bei. Aber in der gar nicht lächerlichen Summe ist das doch durchwegs überaus ordentlich gemachter, hochmelodiöser Street-/Punkrock, der immer wieder unheimlich gerne von smarten Bläsern unterstützt – aber nein, trotzdem ist das kein Ska! – vor allem in den schmissigen Refrains die Begabung für griffige Hooklines aufblitzen lässt. Beim vorab bekannten ‚Komplett in Arsch‚ („Kennst du das Gefühl, wenn du nur Leere spürst? Das Auf und Ab zwischen deinen Träumen und dem endlosen Fall. Und in deinem Herzen tobt ein Aufstand zwischen Liebe und Hass. Wann geh ich endlich diesen Weg, der mich doch so glücklich macht?„) mutiert das gar zu einem derart eingängigen Stück munterer Resignationsaufarbeitung, dass man das zwar deswegen nicht gleich vollends tiefgründig finden muss, aber trotzdem lange Zeit nicht mehr aus dem Ohr bekommt. Dass ‚Scheitern und Verstehen‚ dazu über weite Strecken nie zu gleichförmig klassischen Mustern folgt, fällt bei der gebotenen Kurzweile und geworfenen Blicken bis in den zackigen Indierock (‚Mit Dir‚) kaum auf und gar nicht ins Gewicht.

Vor allem, da Feine Sahne Fischfilet nicht nur die nötige Portion Spielwitz in die rasanten Ohrwürmer stecken, sondern auch gewillt sind Ausbrüche zu wagen: ‚Riot in my Heart‚ beschleunigt Richtung Hardcore, das zurückgelehnte ‚Dreineinhalb Meter Lichtgestalt‚ verzichtet auf die geschrieenen/gegröhlten Vocals und Gangshouts beinahe vollständig und macht das Rampenlicht für Sängerin Marie Curry von Neonschwarz frei, die Band spielt dazu unverfänglichen aber gewohnungsbedürftigen, ja, Deutschrock irgendwo. Für ‚Weit hinaus‚ schreiben Feine Sahne Fischfilet dann sogar noch eine sentimentale Ode an die Freundschaft („Ich sitze hier mir Freunden und fühle mich so wohl. Und was es umso schöner macht, es liegt nicht nur am Alkohol. So vertraut und abgefuckt, ach was finde ich das schön. Mit diesem Menschen hier, kann es immer so weiter gehen.“„), die man spätestens ab dem fünften Bier unsentimental schön finden kann – ein Faible für die ganz jungen Toten Hosen kann nicht schaden.

Aber auch sonst braucht man sich das irgendwo zwischen Slime (die Haltung),  Mighty Mighty Bosstones (die Bläser), Rancid (der toll rollende Bass, wie die Backingvocals in ‚Stumpfe Parolen‚ gerne geschrien werden) und Ärzten im Frühstadium (die Popaffinität) angesiedelte Brett ‚Scheitern und Verstehen‚ nicht schöntrinken, Feine Sahne Fischfilet kriegen einen auch so. Dass dem Sextett derzeit soviel Aufmerksamkeit geschenkt wird, wie sie bisher über die Landesgrenzen hinweg nicht kultivieren konnten – mit ‚Scheitern und Verstehen‚ alleine wahrscheinlich auch nicht hätten können -, liegt dann wenige an der Tatsache, dass Feine Sahne Fischfilet aus dem restlichen Audiolith-Raster klar hervorstechen und damit die eine oder andere Prominenz zur Albumreleaseparty gelockt haben, sondern eben vor allem an der Geschichte mit dem deutschen Verfassungsschutz.

Was bei aller Surrealität der Angelegenheit auch gut ist, denn Feine Sahne Fischfilet haben einiges zu sagen, zumal ‚Scheitern und Verstehen‚ bis auf das etwas platt weil doch zu unironisch verhangen einherfallende ‚Gefällt Mir‚ (Deutschland ist Scheiße/ Deutschland ist Dreck/ Gib mir ein Like gegen Deutschland) sich in seiner grundsätzlich antifaschistisch ausgerichteten Tendenz die richtigen Worte („Das Problem heißt Rassismus, doch das ist euch scheißegal? Nazis morden weiter und der Staat schiebt fleißig ab!“ oder „Verfassungsschutz und Nazis gehen weiter Hand in Hand. Noch ein paar Reformen, schon sind alle froh in diesem Land. Die einzige Erkenntnis, was mir noch dazu einfällt: Die schlechtesten Geschichten schreibt das Leben immer noch selbst.„) findet und alleine damit schon auf der richtigen Seite steht. Den Zugang zu allerlei Deutschland-kritischen Texten oder der Thematisierung von etwaigen Dorfproblemen wird hingegen nicht jeder finden. Für all jene hält ‚Scheitern und Verstehen‚ trotzdem immer noch 38  abwechslungsreiche – aber ansatzweise zu glatt produzierte, die Gitarren doch zu sauber im Vordergrund schrammelnd lassende – Minuten parat, die live mit noch mehr Partyflair vermutlich noch schneller verfliegen als sie es nicht ohnedies schon tun.

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