Father John Misty – Mahashmashana

von am 25. November 2024 in Album

Father John Misty – Mahashmashana

Mahashmashana (nach Mahāśmaśāna, was einen „großen Verbrennungsplatz“ bezeichnet) erweist sich als vielseitiger, ambitionierter Schmelztiegel voller großartiger Songs. Und als unausgegorenes Album.

I’ll end up writing these huge, unstructured things, pages and pages, almost like an epic poem. From that I’ll get, say, three interminable songs. And downstream from that, I start strip-mining those three songs for parts to use in other songs. It seems chaotic, and really unfocused, but there’s an internal logic to it“ gibt Josh Tillman über eine Platte zu Protokoll, die er mit seinem bisherigen Zugang zum Songwriting nicht erschließen konnte.
Eventuell fühlt sich Mahashmashana deswegen auch phasenweise verhältnismäßig ziellos an, findet im Ganzen trotz einer inhaltlichen Stringenz zu keiner kohärenten Linie und fällt stilistisch immer wieder aus dem Rahmen. Der superbe Disco-Funk des Best of-Vorboten I Guess Time Just Makes Fools of Us All ist jedenfalls zumindest musikalisch keineswegs repräsentativ für die grundlegende Ausrichtung der Platte, sondern entlang seiner Dylan’esken Textcollagen ein einsamer Ausreißer aus dem restlichen Portfolio.

Noch deplatzierter ist aber – das für sich genommen abermals überzeugende! – She Cleans Up, das mit postpunkige Rock’n’Roll-Vibe smooth poltert, als hätten die Black Keys in Abendgarderobe Berlin entschleunigt rumpelnd gecovert. In den Credits stehen dennoch die Viagra Boys und Fireside als Inspirationen aufgelistet, während man Father John Misty selten derart roh beschwingt und ja, fast dreckig angetrieben gehört hat.
Nach dem Titelstück, das mit sentimentaler Gefälligkeit aus der Zeit entrückt im Fernsehgarten schunkelt, hinter dem orchestralen Las Vegas-Panorama wie eine kitschige Elton John-Ballade auftritt, und sich fast zehn Minuten selbstverliebt über die Strenge schlagend im eigenen Saft der repetierten Streicher-Arrangements suhlt, sowie vor dem mehr Maß und Ziel kennenden, jazzig entspannt durch eine märchenhafte Randy Newman-Lounge flanierenden Josh Tillman and the Accidental Dose, wirkt She Cleans Up jedenfalls wie ein den Spielfluss brechender Fremdkörper, der in diesem Kontext höchstens als überraschend die Dynamik reizende Reaktion auf die nahezu überall unter Wert verkauften Songwriting-Glanztat Chloë and the Next 20th Century für Tillman persönlich Sinn machen kann.

Stimmiger fügt sich da jedenfalls schon das Gitarren-Gastspiel von Alan Sparhawk (samt Produktions-Input von BJ Burton) in Screamland ein, bei dem Father John Misty den Kontrast aus Bombast und Intimität erzeugt, indem er ruhig in sich gehend eine nachdenkliche Melancholie pflegt und die sphärisch pulsierenden Space-Texturen dann kontemplativ im Stadion-Pathos strahlend aufplatzen lässt, voluminös und mächtig, richtig groß, ein Blockbuster-Minimalismus mit dramatisch erdrückender Wall of Sound.
Als Triumphgeste des drumherum konzentriert und homogen angelegten Mahashmashana verpasst diese Geste dem typischen Habitat aus exzentrischem Zynismus und überkandidelter Getragenheit einen verdienten Rockstar-Impuls rund, effektiv.

Ansonsten hat Father John Misty weitestegehend das Album aufzunehmen versucht , das sich wahrscheinlich alle Welt sich nach Pure Comedy von ihm gewünscht hat – den 2017er-Geniestreich in kompakter, präziser, pointierter. Mental Health plätschert insofern als schwächste Nummer einer ausfallfreien Platte durch die verträumte Komfortzone von Tranquility Base Hotel & Ca(r)sino. Being You pendelt über einer angenehm entschleunigten Hip Hop-Idee mit David Vandervelde wie ein gefälliges Schwelgen an eine alte Erinnerung und der relativ konventionelle Closer Summer’s Gone sinniert wie der Soundtrack eines alten Films. Dass Tillman das abseits der fabelhaften Texte so alles schon besser hinbekommen hat, macht diese Passagen des Albums weniger aufregend und interessant, als die das Sequencing störenden verhaltensauffälligeren Nummern. Da wie dort bieten sich aber einige Stücke für den nächste Best of des 43 jährigen an.

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen