Farin Urlaub Racing Team – Faszination Weltraum

von am 24. Oktober 2014 in Album

Farin Urlaub Racing Team – Faszination Weltraum

Der große, stets gut gelaunte Blonde von Die Ärzte ist nach sechs Jahren mit seinem Racing Team zurück. ‚Faszination Weltraum‘ heißt Farin Urlaubs viertes Soloalbum und verspricht Lieder, die „mit der Kraft einer mittelgroßen Büffelherde um die Ecke kommen, die hakenschlagend durch die gepflegten Blumenbeete der zeitgenössischen Popmusik trampelt“. Eine imposante Umschreibung für – kurz gesagt – etwas zu glatten Rock.

Zugegeben, Farin Urlaubs Erfahrung und sein Songwriter-Können verhindern eine schlechte Platte. Die 15 Songs des neuen Albums verfügen über durchdachte Arrangements, die Gitarren sind laut und auch einen Ballade sowie das unverzichtbare Ska-Stück finden ihren Platz. Jedoch fehlt dem Ganzen das gewisse Etwas – ein Alleinstellungsmerkmal, das ‚Faszination Weltraum‘ von seinen Vorgängern unterscheidet.

Laut eigener Aussage findet man aber so ziemlich alles auf der neuen Platte: „Himmel, Sommer, bequeme Überlebensstrategien, Stadtplanung und Ästhetik, Jogginganzug und Superman-Kostüm, Pheromone und Herz, das Schöne und das Gute – und Schicksal“. Grundsätzlich eine gute Mischung, jedoch stolpert der FU-Kundige bereits beim Opener über Altbekanntes. ‚Mein Lied‘ reiht sich nahtlos in die Tradition von Eröffnungstracks wie ‚Intro (manche nennen es Musik)‘ auf ‚Endlich Urlaub!‘ oder ‚Mehr‘ auf ‚Am Ende der Sonne‘ ein. Der Hörer wird jedes Mal aufs Neue willkommen geheißen, wobei dies beim mittlerweile vierten Album irgendwie nicht mehr zwingend notwendig erscheint. Auch dass der leidenschaftliche Weltenbummler „sein Lied singt, wenn die Sonne lacht“ und ihm „der Himmel überall sein bestes Publikum ist“, überrascht nicht unbedingt. In ‚Dynamit‘ gibt Urlaub den explosiven Architekten, der moderne Stadtplanung mit T.N.T. bekämpft. Der Song wird vor allem durch Rachels Drums getragen, jedoch zündet er nicht wirklich.
Im Gegensatz dazu kommt die erste Single ‚Herz? Verloren‘, die bereits ein Monat vor Erscheinen des Albums veröffentlicht wurde, wieder ganz in gewohnter Racing Team Manier daher: schwungvoll mit großem Ohrwurmpotenzial samt Bläser-Untermalung. Inhaltlich geht es um einen polyamorösen Schwerenöter, der sich bis zu 10 Mal am Tag verliebt – ein Problem mit dem sich Farin Urlaub in der Pubertät selbst herumschlagen musste, wie er im Interview mit Radio Soundportal grinsend zugibt. Ein amüsanter Song, bei dessen Video aber wieder auf Altbewährtes zurückgegriffen wird. Denn die Rolle des etwas skurrilen Irren, der am Ende des Videos stirbt, ist seit ‚Dusche‘ auch nichts Neues mehr.
Das obligatorische Ska-Stück, das sich auf jedem Urlaubschen Album wiederfindet, heißt diesmal ‚Heute tanzen‘. Zur Auflockerung ist der Track recht mittig platziert, da es Herrn Urlaub zwar einerseits wichtig ist, dass „alles wie aus einem Guss klingt“, anderseits mag er Abwechslung und Ausflüge in andere Genres – wie er hiermit einmal mehr beweist. Die Nummer ist auf jeden Fall tanzbar, handelt jedoch eher von Büchern und Lesen. Vielleicht auch weil, laut eigener Aussage, Verletzungsgefahr besteht, wenn Farin versucht das Tanzbein zu schwingen.

Beim ersten Hören sticht textlich aber vor allem ein Song heraus: ‚Fan‘, der Vorwurf eines Anhängers an seinen Lieblingskünstler, der sich angeblich „verraten und verkauft“ hat. Anschuldigungen mit denen sich Farin Urlaub seit 1984 immer wieder herumschlagen muss, wie er im Soundportal-Interview erzählt. Der Wechsel zwischen ruhigem und lautem Gitarrensound unterstreicht hier gut die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema, das FU aber nach 30 Jahren im Musikgeschäft nur mehr amüsiert.

Natürlich weiß Farin Urlaub, was er tut und wie man eine solide Platte schreibt, jedoch fehlt ‚Faszination Weltraum‘ etwas ganz Essentielles – nämlich die Faszination. Es gibt kaum Überraschungsmomente oder Innovation, sondern eher Altbekanntes mit neuen Texten. Der Macher selbst liefert aber ein Argument dafür, wieso man ein neues Album vielleicht doch nicht nach dem ersten Hören gleich abschreiben sollte: „Egal was du machst, es kommt immer wieder der gleiche Satz ‚früher warst du/ihr aber besser‘ und die Leute verstehen nicht, dass es gar nicht so sehr darum geht, sondern um ihr eigenes Leben. Sie haben ihre Lieblingsplatten mit denen sie was erlebt habe. Dann hören sie ein neues Stück, das noch nicht diesen emotionalen Ballast mit sich bringt, sondern einfach nur ein Stück Musik ist. Sie sind erstmal enttäuscht – wie denn auch nicht.“ 

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