False – Portent
Man findet vielleicht wegen des atemberaubenden Artworks des Mirror Reaper (2017)-Urhebers Mariusz Lewandowski zu Portent – bleiben wird man jedoch wegen der mitunter überwältigendsten Black Metal-Revue des Jahres.
Nicht, dass die bereits 2010 gegründeten False bisher unter Ausschluss der Öffentlichkeit hätten: Neben einer Split mit Barghest hat das Sextett aus Minneapolis unter anderem auch eineinhalb Vorgängeralben sowie die Hunger-Ep von 2017 im Portfolio, auf dem die schwer zu googelnde Band für ihren zweiten Langspieler nun aufbaut, ihr Wesen auch über eine sauberere Produktion von Adam Tucker nun jedoch massentauglicher interpretiert. Bisher weitestgehend ohne Interviews oder grundlegende mediale Präsenz auskommend, rückt Portent zudem auch durch den Deal mit Gilead Media in ein breiteres öffentliches Interesse – in ausgiebigen Features wird mittlerweile sogar auf die prägenden Lieblingsalben der Bandmitglieder eingegangen.
Was in diesen übrigens trotz eines so traditionsbewusst wie scheuklappenbefreiten Spektrums an Einflüssen nicht vermittelt wird, ist der eigene Zugang von False zum Black Metal, dessen Perspektive ständig nach höherem strebt: Mit Ausnahme des knapp 90 sekündigen Ourtro/Appendix Postlude als versöhnlich in Moll klimpernder Abspann will Portent in jeder Sekunde triumphal und überwältigend weiter in den Himmel wachsen, seinen epochalen Charakter ohne Ermüdungserscheinungen auch 17 Minuten am Stück auf den Sockel stellen. Alle Aggressivität hier ist deswegen stets zutiefst erhebend und schlichtweg majestätisch, von imposanter Statur – False zelebrieren ihren Black Metal mit geradezu symphonischen Gesten, legen die Finsternis in gleißend strahlende Glorie, und haben nun auch das nötige Umfeld dazu.
Gleich A Victual to Our Dead Selves eröffnet ohne große Umwege dafür dort, wo Genrekollegen erst ihre Finale ausbreiten. Bei atemlos hetzenden Blastbeats und sphärischen, engelsgleich ausgebreiteten Synthies, die im Verbund mit den Gitarren wie sakrale Chöre funktionieren. Auch weil Sängerin Rachel dazu tollwütig, guttural und dreckig keift, bekommt die wütende Drangsalierung ohne Theatralik oder Pathos Zugriff auf die Schönheit des Black Metal, ist giftig. Nach knapp drei Minuten fallen die Instrumente sogar regelrecht episch und trve gegenseitig über sich her, Rachel steht auf ihrer Kanzel inmitten eines Wirbelsturms aus immer hymnischer ausgelegten Melodiekaskaden. Die Gitarren sind kaum zu bändigen, schicken die Leads für technisch in die Atonalität exerzierenden Passagen in Seitengassen, verlieren dabei aber niemals den Fokus der Unbedingtheit.
Überhaupt ist das ambitionierte Songwriting der Band neben der virtuosen Ausführung unglaublich vielschichtig arrangiert, strotzt vor textureller Tiefe und struktureller Kreativität, ohne aber überladen oder (gerade bei derart monolithischen Spielzeiten) zu ausführlich beziehungsweise langatmig anzumuten. Es ist einfach faszinierend, immer neue Aspekte und Akzente auf Portent zu entdecken, die voll ausformulierte Handschrift von False in unterschiedlichen Schattierungen zu erleben, sich von den intuitiven Komplexität, Dichte und Dringlichkeit in allgegenwärtiger Präzision mitreißen zu lassen.
Portent macht immerhin keinen Millimeter Platz, wenn Rime on the Song of Returning die Rhythmussektion ins Rampenlicht hievt, die galoppieren und drängen und grooven darf, garstig navigiert. Wo die böllernden Drums praktisch keinerlei Nachgiebigkeit zeigen und permanent nach vorne gehen, öffnen die Gitarren jedoch nach und nach Raum, peitschen alsbald ebenso. Rund acht Minuten später beginnt der Rausch ein bisschen durchzuatmen – nur um aufs neue Spannungen aufzubauen, sich in ätherischer Knüppelei zu wiegen und dort eine Anmut zu finden.
Erst The Serpent Sting, the Smell of Goat bremst das Tempo kontemplativer aus, ruht in sich, ist für Doom natürlich viel zu flott, hat jedoch einen subtil folkigen Anstrich, den die Band über eine immer hungriger werdende Dynamik ankurbel. False nehmen sich Zeit, geben der Komposition alle Freiheiten um zu wachsen, halten die Zügel jedoch nichtsdestotrotz eng. Wie gut diese nahezu sinnierende, zur mediativ weitschweifenden Transzendenz neigende Gangart dem sonstigen Sturm und Drang-Modus steht, ist imposant – und schafft auch ein emotionales Gegengewicht, in dem man sich trotz einer ständigen Unberechenbarkeit in Tempo und Druck schier melancholisch verlieren kann.
Dass nach dem Intermezzo Postlude kein finaler auslaufender Husarenritt folgt, ist subjektiv ein den Kontext zu früh beendender Schönheitsfehler, der den Spannungsfluss jedoch kaum trübt. Zumal False durch die relative Kompaktheit von Portent auch keine Abnutzungserscheinungen in ihrem originären Sound zeigen. Angesichts auf Nebengleisen (wie Riffs for Reproductive Justice) geparkten, mindestens ebenbürtigen Material in der Hinterhand, fühlt sich der Rahmen der Platte nach handlichen 42 Minuten dennoch nicht in vollem Ausmaß derart erschöpfend an, wie sich der auf Maximierung hinarbeitende Inhalt der puren Größe verschrieben hat. Was andererseits den Suchtfaktor von Portent nur erhöht – der mit diesem Jahreshighlight letztendlich auch dafür sorgt, dass man dieser unheimlich ästhetischen Band zukünftig nicht mehr erst nach einem betörenden Artwork seine Aufmerksamkeit schenken wird.
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