Ex:Re – Ex:Re
Daughter-Frontfrau Elena Tonra hat sich für die Namensgebung ihres Soloprojektes viele Gedanken gemacht: Ex:Re kann so in indirekter Referenz beispielsweise als Breakup-Antwort dechiffriert, oder aber auch als verschlüsselte Stilisierung von Röntgenstrahlen gelesen werden.
Letztendlich lässt sich das selbstbetitelte Debüt von Ex:Re jedoch auf eine weitaus simpler zu verstehende Ebene herabbrechen, funktionieren die 48 Minuten doch auf einer rein intuitiven, unheimlich emotionalen Ebene: 10 Songs durchleuchten Tonra, offenbaren ihr persönliches Innenleben und interpretieren es als universell funktionierendes Werk über die Zeit, wenn die Liebe dem puren Herzschmerz gewichen ist. Ex:Re leckt seine Wunden in dieser Leere nach der Romantik auf einnehmende, aufwühlende, schwermütige, auch tröstend in seiner niederschmetternden Schönheit schwelgenden Art und Weise, ist ein ergreifendes kleines Kunstwerk leidender Trennungsmusik geworden.
Die Vorabsingle Romance, die als Symbiose aus beinahe tanzbarer Rhythmik und flächigem Ambient, der perkussiv wie aus einem anderen Leben unwirklich herüberpumpt, hat das Wesen von Ex:Re insofern so gleichermaßen adäquat vorweggenommen, wie sie auf das Gesamtwerk umgemünzt durch ihre gesteigerte Dynamik doch auch ein wenig in die Irre geführt hat.
Tonra entfernt sich schließlich nicht drastisch von ihrer Stammband, legt aber auf Solopfaden nach Music From Before the Storm ein paar Schichten ab und zeigt damit auch, wie charakteristisch das Spiel von Igor Haefeli und Remi Aguilella für den Sound der Indie-Folkband doch eigentlich ist. Wenn man so will ist Ex:Re deswegen bis zu einem gewissen Grad Daughter in reduzierter, unaufgeregter, leiser – wohl auch etwas gleichförmiger. Die Wucht und postrockig erhebende Aufbruchsstimmung des englischen Trios bleibt aus, dafür agiert Tonra im Alleingang subversiver.
Alle Instrumente klingen stets abgedämpft, ein stoisch-behutsamer Rhythmus um besenberuhigte Drums und unaufdringlich massig schiebende Bassläufe dominieren das Klangbild, die Gitarren perlen wie Nebensächlichkeiten in das Slowcore-Geschehen – diese loopende Herangehensweise erinnert architektonisch durchaus an die Little Fictions (2017) von Elbow, vielleicht sogar an London Grammar aus der Slowdive-Perspektive.
Das kann dann wie in Crushing im Verbund mit Tonras Gespür für zauberhafte Melodien mit intimer Geste zu einem veritablen Pop-Ohrwurm über die Hintertür sorgen, oder aber wie im suchenden New York als eine simpel entschleunigt-vorbeiplätschernde Grandezza mit The Xx-Tiefenwirkung samt vorsichtig angedeuteten Streichern ala Warren Ellis anmuten, die später unsagbar zart mit dem stehenden Bariton-Bass antaucht.
Die organische Produktion der Platte setzt die Physis dabei niemals ganz greifbar werdend unter einem melancholisch darbenden Schleier in Szene, forciert eine homogene Ästhetik und einnehmende Atmosphäre. Ex:Re wird so zu einer wunderbar traurigen Platte, die in ihrem Unglück ohne Kitsch oder Selbstmitleid badet, zudem niemals absäuft, sondern anhand kleiner Nuancen immer wieder neue Facetten und feine Hoffnungsschimmer auftauchen lässt, durch die das subtil-dezente Songwriting strahlt.
The Dazzler ist etwa eine langsam treibende Elegie, die in der bekümmerten Erinnerung eine versöhnliche Pianolinie aus dem wattierten Produktionsnebel schält. In Liar bietet Tonra eine elfenhafte Melodie und lose Ahnungen von Streichern und Feedback, bevor I Can’t Keep You unverbindlich mit Trip Hop-Motiven flirtet. Das programmatisch betitelte Too Sad beginnt dann jazzig getragen, anschmiegsam und fürsorglich – der Refrain lässt die Gitarre jedoch abseitig dröhnen und erwirkt dadurch, ohne Tempo oder Intensität zu verändern, eine melodramatische Größe.
Schade insofern, dass Ex:Re sich nicht in letzter Konsequenz zu einer tatsächlichen Katharsis in zwingender Form überwältigen kann, sondern hinten raus ein wenig zu zaghaft bleibt. Wenn das wundervolle 5AM mit einer konventionellen Wendung zum Indie-Abspann liebäugelt, dann aber unentschlossen verpufft, um dem zu Mazzy Star und Peter Silberman träumenden Gitarrengeplänkel-Schlusspunkt My Heart Platz zu machen, der unendlich filigran in eine immer lauter werdende Stille flüstert, passt dies aber auch durchaus zum Konzept: Tonra kann in die Arme nehmen und Linderung anbieten, eine wirklich befriedigende Heilung für gebrochene Herzen kann sie aber auch mit Ex:Re nicht erzwingen.
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