Evile – Hell Unleashed
Auf Hell Unleashed, ihrem ersten Album seit 2013, nutzen die Retro-affinen Briten von Evile den Schwung des rotierenden Besetzungskarussells für eine Hochleistungs-Achterbahnfahrt durch den Thrash – inklusive Schönheitsfehler.
Während der Arbeiten zu ihrem fünften Studiowerk überschlugen sich die personellen Gegebenheiten bei Evile gefühltermaßen: Ol Drake ist fünf Jahre nach seinem Ausstieg seit 2018 wieder an Bord und hat neben der Leadgitarre nun auch den Gesang übernommen – weil Boss und Bruder Matt sich vergangenes Jahr aus dem Bandkontext verabschiedete. Dazu ist mittlerweile Riptide-Gitarrist Adam Smith als Verstärkung an Bord, während die Rhythmussektion derzeit mit Ur-Drummer Ben Carter und Langzeit-Basser Joel Graham aufwartet.
Soviel zum besetzungstechnischen Stand der Dinge – der dann auch die Achillesferse von Hell Unleashed offen legt: Ol erledigt seine Sache am Mikro relativ ordentlich, kann den Abgang von Matt aber in keinster Weise kaschieren: Sein eher stirnnackigen Shoutings funktionieren relativ monoton und eindimensional, brüllen in der immer gleichen Ton- und Auslage bellend, und limitierend das Erscheinen der neun Songs dann doch ein wenig frustrierend.
Denn abseits davon – und nichtsdestotrotz – lassen die 42 Minuten durchaus mit der Zunge schnalzen, schrammen Evile doch an der bisher stärksten Leistung ihrer Karriere vorbei: Die Riffs und Soli einer schwindelerregenden Gitarrenarbeit, die Grooves, die Performance ganz generell und das Songwriting an sich – alles hier steht unter einem hochkompetenten Druck voller Dringlichkeit und variabler Dynamik.
Paralysed spielt die Slayer-Klaviatur noch wie einen soliden Standard zwischen Sepultura und Warbringer, lässt jedoch jedes Instrument kurz ins Rampenlicht treten, während der zum Hardcore schielende Gesang enervierend emotionslos bleibt, bevor Gore das Gaspedal findet und der heulende Gallop die stimmlichen Mankos (mit Gast Brian Posehn) besser abfedert, auch schon die nötigen kompositionelle Twists auspackt. Incarcerated stellt sich melodischer geartet nach dem Lehrbuch der frühen Metallica vor, gibt sich dann epischer, heavier, schwergängiger – was die folgende Abfahrt freilich umso energischer macht.
Dass die wirklich ikonischen Szenen mit phasenweise schon arg frech geratenen Reminiszenzen fehlen, es genau genommen aufgrund dieser Schamlosigkeit auch wenig gute Gründe gibt, weswegen man Hell Unleashed anstelle eines Genre-Klassikers auflegen sollte – irgendwo einfach egal. Weil der Reboot einfach so verdammt viel Bock und die Epigonen von Evile per se einfach wenig falsch machen, niemals unter der der Last der auszuhaltenden Vergleiche ächzen, sondern im Gegenteil noch veritable Hook-Schlachtfeste wie The Thing (1982) oder knackige Attacken wie Zombie Apocalypse hintennach legen: Die immense Spielfreude hebt das Fünftwerk des Quartetts in den nächsten Level (und zwischen den Punkten liegen in der Wertung hier nach oben).
Der Titelsong will dann nach dem diabolischen, hymnisch ausholenden Nackenbrecher Control from Above etwas deplatziert als Closer so zwar nicht unbedingt passen, weil der Geschwindigkeitsrausch nach einer kurzen atmosphärischen Einleitung mit einer solchen Power antreibt, dass das Ende gar zu abrupt in der Luft hängend aus dem Spielfluss katapultiert. Da hilft jedoch eigentlich nur, so schnell wie möglich die Fortsetzung hiervon (idealerweise mit genütztem Optimierungspotential) nachzutreten.
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