Everything Everything – Mountainhead

von am 9. März 2024 in Album

Everything Everything – Mountainhead

Everything Everything mögen sich die Idee für das Cover von Mountainhead geborgt haben, bleiben auf ihrem siebten Studioalbum ansonsten aber alleine ihrem eigenen, eigenwilligen Art-Indie Rock-Eklektizismus verpflichtet.

Das subjektive Problem mit Get to Heaven wurde ja erst im Rückspiegel deutlich: Obwohl A Fever Dream (2017), die Talsohle RE-ANINATOR (2020) und Raw Data Feel (2022) allesamt gelungene Alben waren, die die konstant in hoher Frequenz abliefernde Qualität des britischen Quartetts ziemlich ansatzlos unterstrichen, lag durch das den MO der Band nahezu ideal bedienende 2015er-Zenit der Everything Everything-Diskografie ein regelrechter Schatten über den nachfolgenden Werken, die so einfach unterwältigender wirkten, als sie es tatsächlich waren.
Auch Mountainhead ist nun nicht restlos prägnant auf den Punkt gebracht und hätte trotz einer ausfallfreien Stafette an hauseigene Instant-Lieblingen ohne wirkliche Gänsehaut-Übersongs der Marke The Peaks an einigen Stellen gekürzt werden können – um ein paar gar zu freigiebig repetierte Refrains etwa, oder den selbstreferentiell pluckernde Indietronic-Appendix The Witness (einem World-Building-Brief an den altbekannten Rückkehrer Raymond in die futuristische Welt des Kapitalismus), der wirklich überzeugend, jedoch nicht essentiell geraten ist, gerade auch nach dem so beseelt sinnierenden City Song, der das Feeling eines futuristisches Anachronismus der 80er ohne wirkliche 80er-Klischees aufkommen lassend schlichtweg der bessere Ausklang der Platte gewesen wäre.

Doch abseits davon ist Mountainhead dann doch endlich das Album, das die 2015 gesäten Erwartungshaltungen stemmt und ohne radikale Kurskorrektur die beste Veröffentlichung der Band seit Get to Heaven: catchy und kreativ, nur im eigenen Kontext gesehen risikofrei agierend, also deswegen im weiteren Sinne originell, motiviert und ambitioniert – unterhaltsam sowieso, dazu aber so viele Ohrwürmer wie lange nicht servierend.
Alleine die Eingangsphase, die von Wild Guess mit kantigem Groove angetrieben seinen Refrain in verträumter Sehnsucht schwelgen lässt und sich über The End of the Contender schlängelt, um die Cut-and-Paste-Chor-Elemente der Supersingle Cold Reactor als Singalong zu modellieren. R U Happy? bastelt in seinen somnambul tanzbaren R&B-Elektro-Indie eine an der Nerv-Grenze schlendernde Hook und The Mad Stone entspannt sich als sommerliches Märchen herrlich hibbelig.
Selbst augenscheinlich gute Standards wie das lebendig-cinematographisch eine Symbiose aus Streicher-Synths und zappelnden Drums bastelnde Buddy, Come Over funktionieren im Albumfluß spätestens auf den zweiten Blick als Triumph, bevor die tolle zweite Hälfte der Platte beinahe subversiv die Stärken von Everything Everything dekliniert, ohne diese aufdringlich in die Auslage zu stellen.

Nach dem kammermusikalisch gezupften Zwischenspiel TV Dog folgt das ambiente Canary einem kontemplativen Beat und Don’t Ask Me To Beg läuft mit einer Trittsicherheit auf die Tanzfläche treibend dahin. Your Money, My Summer bimmelt wohlig verträumt und rhythmisch derweil Dagger’s Edge behutsam an den Rap angelehnt ein flirrendes Finale auffährt, nachdem das fabelhafte Enter the Mirror als eine entspannte Chillout-Lounge-Schönheit für laue Sommernächte in flüchtiger Melancholie die Sehnsucht ist: „Party on, party all night/ Party’s never over if the party’s in your head“ und „And we talk about/ First kiss, to the abyss/ Hope they need a DJ somewhere in the afterlife“.
It’s not over yet“ singt Jonathan Higgs dann auch noch, und das kann man durchaus als individuelle Lektion für einen selbst auffassen: dieser Band nicht die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken, kann sich nur zu leicht rächen. Ihr Erfolgslauf geht schließlich konsequent weiter – und nach eigenem Ermessen die Qualitätskurve wieder steil nach oben zeigen lassend.

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