Ethel Cain – Preacher’s Daughter
Hayden Silas Anhedönia alias Ethel Cain hat schon vor ihrem offiziellen Debütalbum mit zwei Compilations und zahlreichen EPs äußerst ergiebig vorgelegt. Da verwundert es eigentlich kaum, dass sie mit Preacher’s Daughter nun noch ambitionierter zu Werke geht – und sich dabei überhebt.
Zwar hat die 24 jährige solche Geschmacklosigkeiten wie den auf Inbred noch übertriebenen Autotune-Einsatz mittlerweile in den Griff bekommen, doch ächzt nicht nur das aufgeblasene Storytelling-Konzept („centered around the character Ethel Cain, who runs away from home only to meet a gruesome end at the hands of a cannibalistic psychopath“) von Preacher’s Daughter entlang 76 erschlagender Minuten, die ihren sich im ätherischen Pathos suhlendem Goth-Americana-Alternative-Sound für ein Publikum in der Tristesse der College-Klischees zwischen Lana Del Rey und Chelsea Wolfe äusserst reizvoll ausbreitet, immer noch an zu vielen Ecken und Enden.
Das beginnt bei Texten, die zwar nie so abstrus sind, wie mancherorts suggeriert, entlang solcher Zeilen wie „He’s never looked more beautiful/ On his Harley in the parking lot/ Breaking in to the ATMs/ Sleeping naked when it gets too hot/ I watched him show his love through shades of black and blue/ Starting fights at the bar across the street like you do/ The neighbors beat on the wall while I’m face-first in the bed/ Show me how much I mean to you, while I’m lying in these sheets undressed“ aber rund um Mommy, Daddy und Jesus als narrativleitende Figuren mitunter schon tatsächlich auch arg bemühte Bilder zeichnen.
Mehr noch aber schlägt auslaugend zu Buche, dass Preacher’s Daughter mit seiner Länge einfach übersättigt, in seiner eindringlichen Atmosphäre mäandert und so viele Stellen gekürzt werden hätte können. In der ersten Hälfte der Platte fesselt die schwülstige Gleichförmigkeit der nostalgischen Ästhetik so zwar durchwegs, liefert auch klasse Facetten wie Stadiensoli und generell tolle Gesangsleistungen, biedert sich im Heartland-Kitsch von American Teenager aber ausnahmsweise zu konventionell ausgewalzt am Formatradio an – weswegen mit dem knapp 10 minütigen Thoroughfare auch alles essentielle gesagt scheint.
Dass die Platte danach neue Ausrichtungen in den Sound assimiliert – abgedämpfte R&B-Elektronik-Tendenzen, Burial-Dimmungen, sphärische Soundscape-Malereien oderelegische Klavier-Träume – tut der Variabilität und Aufmerksamkeit gut, wirkt aber eben im zerfahrenen Spannungsbogen wie ein seperat angehängtes Sammelsurium an Einzelszenen, bevor das Finale mit Sun Bleached Flies und Strangers die Geschichte käsig-versöhnlich aufzulösen versucht.
Soll heißen: Cain und ihr Co-Produzent Matthew Tomasi hätten aus diesem majestätischen Roadtrip in das Trauma ein überragendes Debüt destillieren können, nicht nur ein (sehr) gutes. Sich an den Ambitionen des unbedingten Epos verhebend breitet Preacher’s Daughter jedoch auch ein Panorama aus, das eine große Zukunft versprechen könnte.
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