Eremit – Bearer of Many Names
Doom Metal und Sludge als Gebetsmühle: Eremit machen auf Bearer of Many Names weiter, wo sie 2019 ihren Weg mit Carrier of Weight begonnen, und im vergangenen Jahr mit der EP Desert of Ghoul fortgesetzt haben.
Es stimmt schon, dass die große Stärke von Eremit – die unerschöpfliche Geduld, mit der sie die Monotonie ihrer nur minimal verschobener Riffkaskaden in unbeugsam konsequenter Geduld zelebrieren – auch eine polarisierende Achillesferse sein kann. Dann nämlich, wenn Ausführlichkeit und Länge bis zu einem gewissen Grad zum Selbstzweck mutieren und nicht mehr primär im Dienst des Songs und seiner imaginativen Sogwirkung stehen.
Der Opener Enshrined in Indissoluble Chains and Enlightened Darkness stößt über die Distanz von beinahe 30 Minuten an eben diese Grenzen. Die Einleitung mit bedrückt in die Melancholie hallenden Gitarrenklänge ist atmosphärisch, düster und ideal zum Lewandowski-Artwork passend. Die Phrasierungen heulen mystisch und lassen sich später von einem bedächtigen Rhythmus aus dem Postrock-affinen hin zum Doom-tauglichen tragen, repetieren das installierte Riff, nehmen sich wieder zurück – bis die abrupte Explosion in die ballernde Brachialität die Nähe der Band zu Blackened-Tendenzen offenlegt (gerade durch die giftig speienden, verflucht keifenden Vocals bedingt – die hier übrigens auch Daniel Droste von Ahab auf der Gästeliste anbieten).
Sobald sich das Tempo von den Blastbeats entfernend wieder drosselt und mit einer Hardcore-latenten Sludge-Kante liebäugelt, sind Eremit jedoch in ihrem Hoheitsgebiet, und ja, auch ihrer Komfortzone, angekommen, und deklinieren mit einer hypnotischen Monotonie erklommene Gitarrenwände. Das wird in bester (also: klassischer!) Electric Wizard-Manier hinsichtlich Heaviness und Langsamkeit gepredigt, Funeral-Growls steigen aus dem Morast, die Osnabrücker baden genüsslich in diesem monströs wiederkäuenden Magensaft.
Ganz allgemein sei an dieser Stelle erwähnt: Klar muss man es natürlich per se mögen, sich minutenlang von der Präsenz eines maßgeblichen, mehr oder minder unverrückbaren Riffs plätten zu lassen, sich der reinigenden Kur einer majestätischen Motiv-Konsequenz zu unterziehen, um den Vorzügen eines Werkes wie Bearer of Many Names überhaupt erliegen zu können.
Doch selbst bei einer grundlegenden Vorliebe für derartige Gangarten bringen Eremit ihre PS in Enshrined in Indissoluble Chains and Enlightened Darkness nicht gänzlich auf den Boden. Das Songwriting mäandert nicht wirklich, dazu ist es schon zu ausgefeilt konstruiert, doch vermisst es auch einige nicht restlos essentielle Meter, liebäugelt mit der Nabelschau und widmet sich dann wieder einer Ausführlichkeit, die keine neuen Erfahrungen an den Tisch bringt. Ein wenig wie der gelungene Directors Cut eines Films, dessen Kinofassung jedoch den noch idealeren Spannungsbogen servieren hätte können. Zudem erschöpft der Raum, den die archaische Produktion und der Mix der Dynamik der Platte geben eher, anstatt die Tiefenwirkung und Bandbreite von Bearer of Many Names zu fördern.
Es wäre also zwar arg vermessen, hinsichtlich der subjektiven Schönheitsfehler oder des nicht ausgeloteten Potenzials in diesem ersten Leviathan von Frustration zu sprechen, doch würden Eremit ihre Stellung als einer der beeindruckendsten Bands ihrer Gattung mit einem destillierteren Aktionsradius noch pointierter artikulieren.
Genau dies passiert in den restlichen beiden Songmonolithen, was das Niveau auch ohne geniale Einfälle auf einem gewissen Referenzwert-Level hält. Secret Powers Entrenched in an Ancient Artefact verbindet brutzelnd die Grandezza von Pallbearer mit der mantraartigen Spiritualität von Ohm und der Attitüde von Hell – nur eben in komprimierterer Form (soll heißen: annähernd 19 Minuten Laufzeit) zwingender, mit enger gezogenen Schrauben und offenen dritten Auge a la Dopethrone. Wie ein Film, der aus einer Kette majestätischer Panorama-Aufnahmen besteht, suhlt sich die Band in der Größe ihrer Welt walzend, und ersäuft im Drone.
Noch besser gerät das Highlight Unmapped Territories of Clans without Names (was für ein Titel!), das mit seiner Percussion beinahe ritualistisch lauert, sich angenehm zurückhaltend schlängelt und dem Bass die tief hängende Führung überlässt, den Doom und Sludge gar an den Space Rock heranführt. Die Verhaltensmuster der Platte halten zwar wenige Überraschungen parat, exerzieren ihren MO mit verinnerlichtes Stoizismus, doch öffnet sich der Sound hier einem geradezu proggigen Ambiente (in etwa: Lunar Day) als Kathedrale, mit vielschichtigen Texturen und imaginativer Sogwirkung. Ein Indikator dafür, wo die eigentlichen Leistungsgrenzen dieser kolossalen Band liegen.
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