Emma Ruth Rundle, William Fowler Collins [25.07.2023: Porgy & Bess, Wien]
Bei ihrem letzten Gastspiel zog Emma Ruth Rundle wegen der ein paar Meter weiter auftretenden Chromatics unfairerweise den Kürzeren. Nicht nur mangels sonstiger Konzert-Alternativen an diesem Juli-Abend ist ihr Gastspiel im Porgy & Bess nun allerdings unbedingtes Pflichtprogramm.
Immerhin führt die 39 jährige auf dieser Tour mit (dem unlängst auch als – physisch bockteurer, limititierter – Roadburn-Mitschnitt erschienen) Engine of Hell eines der besten Werke des noch jungen Jahrzehnts chronologisch zur Gänze auf.
Davor versucht William Fowler Collins allerdings ein erst noch ziemlich spärlich gefülltes Porgy & Bess in die richtige Stimmung zu versetzen. Dafür wäre der gen Grouper fliesende Ambiente Drone des Amerikaners wohl an sich auch wirklich gut geeignet geeignet. Doch während Collins 30 Minuten lang statisch konzentriert dasitzt, und sein Instrument wie ein Duracell-Häschen mit einem einem Pinsel für weiche, ätherische Astral-Projektionen (mit einer anderswo für abfallende Arme sorgenden Konstanz) streichelt, hat das zum einen natürlich einen in Grenzen gehaltenen Schauwert, zum anderen bleibt auch die originäre Handschrift aus: die flache Dramatik zwingt die Imagination in keine Tiefenwirkung, über den solide improvisierten Genre-Standard wächst das kaum hinaus.
Pünktlich um halb neun steht dann Rundle markant geschminkt – eine notwendige Form, um sich bei der Preisgabe solch intimer, nackter Songs dennoch irgendwie verstecken zu können? – auf der kleinen Bühne des Porgy & Bess, begutachtet die Gegebenheiten der Location erst neugierig und entschuldigt sich dafür, dass die Show nicht wie angedacht eine bestuhlte Angelegenheit geworden ist. (In Wirklichkeit ist aber alleine die Laustärke der räumlich nicht von der Bühne getrennten Bars ein Ärgerniss, wenn in all der Stille ständig Gläser scheppern oder Kassen fiepen.)
Bei In My Afterlife schließt Rundle den Kreis und deklariert später noch einmal, dass sie selbst bei einer derart „boring depressing show“ definitiv sitzen hätte wollen, beim geradezu andächtig verharrenden Publikum hier aber natürlich eher Angst gehabt hätte, dass die Dinge außer Kontrolle geraten würden, jemand die Bühne stürmen würde, während der intensive Moshpit jederzeit ein Tor zur Hölle aufreißen dürfte.
Die Ansagen zwischen den einzelnen, so unendlich traurigen Stücken von Engine of Hell werden von der Amerikanerin ohnedies erstaunlich humoristisch konterkariert und aufgewogen, was der absolut charismatischen Präsenz von Rundle noch mehr Anziehungskraft verleiht.
Vor The Company erklärt sie etwa erst, bisher nur das Punk-Setting der Arena in Wien genossen zu haben und insofern im Porgy & Bess quasi einen Kulturschock erleide, bevor sie am Ende der Nummer einen „Striptease“ hinlegt und ihre dualistisch gefärbte Jacke holprig abstreift: „I’m known for my grace“ grinst sie und erklärt damit auch, warum sie vor der Zugabe Marked for Death gar nicht erst die Bühne verlässt – sie würde insofern wahrscheinlich eine Treppe beim Versuch zurückzukommen runterfallen.
Tatsächlich ist die pure Schönheit der Melancholie an diesem Abend jedoch fast erschütternd, sobald sich der Opener Return noch so viel langsamer und ätherischer unter die Haut gehend als die Studioversion ausbreitet und die Evolution des Materials in der Interpretation verdeutlicht.
Rundle wechselt zwischen Klavierstücken wie Body und dem auf einer satten, eine tiefe Physis zeigenden Acoustic-Gitarre intonierten Blooms of Oblivion, bei dem Emma ausnahmsweise über die Drogensucht ihrer Mutter samt Pulp Fiction-Adrenalin-Impfung erzählt. Razor‘s Edge handelt derweil also von Kokain und Citadel denkt den Soundtrack zu – ja, was war es noch gleich?! – weiter, um die naiven Träume der Kindheit zu fantasieren.
Dancing Man streift als eine Art Lovesong vielleicht bittersüße verklärend, vielleicht betörend unschuldig, auf der Suche nach dem vermeintlich perfekten Moment ebenfalls durch den Garten der Erinnerung und Emma thematisiert auch ihre kleinen, kurzen Gesten, die beinahe wie Ausdruckstanz-Ansätze Szenen aus den Songs aufgreifen, imaginative Türen öffnen oder sich bekreuzigen. Und wirklich, der viel zu kurze Abend hat in seiner asketischen Offenheit etwas spirituelles, die Katharsis scheint in der distanzlos fesselnden Sogwirkung sogar noch universeller, als es die Studioversionen der Songs bereits waren: zu Emma Ruth Rundle im Porgy & Bess (das leider ohne die anderswo gespielten Zugaben Pump Organ Song, oder das noch exklusivere The Color auskommt) gibt es wirklich in keinster Weise ein Alternativprogramm, diese Tour wird rückblickend wohl als essentieller Punkt ihrer Karriere nachstrahlen.
Setlist:
Return
Blooms of Oblivion
Body
The Company
Dancing Man
Razor’s Edge
Citadel
In My AfterlifeEncore:
Marked for Death
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