Eminem – Music to Be Murdered By
Nach Kamikaze veröffentlicht Eminem mit dem an sich relativ okayen Music to be Murdered By die nächste spontan aus dem Hinterhalt geschossene Fingerübung in Sachen marktwirtschaftlich kalkulierter Denkmalschädigung.
Schon absurd, dass sich im Jubiläumsjahr der Marshal Mathers LP – unglaubliche 20 Jahre ist die bereits her?! – die Perspektiven der Rezeption auf Eminem derart verändert haben: Music to Be Murdered By ist als elftes Studioalbum im Grunde schon wieder eine ziemliche Schwachstelle, doch so wirklich enttäuscht aufregen will man sich darüber einfach nicht mehr. Zu sehr hat der Substandard über mediokre Routinearbeiten ab 2004 immer weiter abstumpfen lassen, bevor der Rohrkrepierer Revival 2017 alle Hoffnungen, die The Marshal Mathers LP 2 vier Jahre zuvor kurzzeitig aufkeimen ließ, als Offenbahrungseid terminierte. Der Fan ist mittlerweile bereits zufrieden, wenn es nicht noch einmal derart weit bergab geht. Besser noch wäre zwar wohl nur, wenn Eminem sich endlich zur Ruhe setzen und von seiner Rolle im Hip Hop im Allgemeinen wie seinen zweieinhalb Meisterstücken im Speziellen zehren würde.
Macht er freilich nicht – weswegen an dieser Stelle mit Music to be Murdered By nun das erste Mathers-Album in diesem Jahrzehnt ansetzt und die Formkurve sogar wieder um Nuancen weiter nach oben hebt.
Wie schon auf Kamikaze ist der Flow des Ausnahmerappers auch diesmal geschmeidiger, das stumpf gepresste Herumgebrülle hat sich Mathers über weite Strecken abgewöhnt. Überhaupt zeigt Eminem stellenweise mit seinen nach wie vor beeindruckenden, immer wieder absurd schnellen Skills meisterlich auf – etwa im bestialischen Finale von Godzilla – , wo er auch die überbeleidigte Manier des Vorgängerwerkes erfreulicherweise zu den Akten legt – ohne deswegen tatsächlich substanzielles zu sagen zu haben.
Dafür disst Slim Shady auf Music to Be Murdered By nur in der puren Aufmerksamkeit wegen immer wieder unkomprimiert drauf los: von Machine Gun Kelly, dem Rolling Stone Magazine oder Earl Sweatshirt, dazu Amokläufer – sie alle bekommen prominente Beachtung.
Bemühte Beefs und Pseudo-Kontroversen müssen mittlerweile eben für Aufmerksamkeit sorgen, wenn die Musik alleine keine relevante Tragweite generieren kann. Und tatsächlich bietet Eminem in der dritten Dekade seiner Karriere zumindest vorerst keine Beats, kaum Bars und nur wenige Hooks, an die man sich erinnern muß, zu denen man unbedingt zurückkehren wollen wird. Music to Be Murdered By ist über kalkulierte Konstrukte wie Marsh, das soulig-gefällige Never Love Again oder (sogar das an sich ja eh halbwegs munter auftretende) Farewell im egalsten Fall eine handwerklich abliefernde, jedoch relativ langweilige Revue geworden, die gerade über die viel zu ausführliche Distanz von 65 Minuten eine ordentlich nebenbei laufende, aber auch latent ermüdende Sammlung weitestgehend solider Tracks geworden ist – immer klug am Massenmarkt und den Zielgruppen ausgerichtet.
Selbst ohne übertriebenes Wohlwollen kann man dieser allerdings attestieren, dass die zum Fremdscham verleitenden Ausfälle diesmal überschaubar bleiben. In der in D12-Erinnerungen schwelgenden Sub-Bass-Clubnummer Those Kinda Nights darf ein austauschbarer Ed Sheeran für ein bisschen Autotune-Pop mit seinem nervig repetierten Refrain im US-Stripclub sorgen und Em fällt vor einem seltsam feiernden Party-Hintergrund in alte Gewohnheiten zurück. Das lahme In Too Deep ist höchstens eine zerfahrene R&B-Karambolage in träger Teilnahmslosigkeit, bevor Stepdad mit seinem peinlichen Singalongrefrain und regelrecht ärgerlich-infantil aufbereiteten Thematik kaum glauben lässt, dass Slim Shady auch bald 48 Jahre alt wird.
In der Masse lassen diese Schwachstellen allerdings auf Durchzug schalten. Denn letztendlich funktionieren zahlreiche Passagen der Platte abseits davon überzeugend genug, um zumindest das Momentum auf ihrer Seite zu haben: Symptomatisch dafür steht Darkness, dass sein Songwriting durchaus intensiv auf das unkaputtbare The Sound of Silence legt, und dabei weniger nachhaltig-penetrant wirkt, als In Your Head vor knapp drei Jahren.
Mit seinen Ressourcen ging Eminem also schon weniger effizient um. Und so sind es auch die Features, die sich gut in das Gesamtwerk einfügen, kaum ambitioniertes Material zweckdienlich weiterbringen und nötigen Impulse setzen. Das abgedämpfte Unaccommodating verweist mit minimalistisch rasselnden, reduziert produzierten Beats mit Oldschool-Kante auf den Trap und lässt Young M.A. den zwanglosen Raum, um ihren lässigen Style flanieren zu lassen. White Gold und der unvermeidliche Royce da 5’9″ geleiten You Gon‘ Learn über einen scheppernder Industrial-Rhythmus und eine ernste Variabilität zu seinen eingängigen Momente. Noch mehr überdrehte Party will nur Yah Yah mit Royce da 5’9″, Black Thought, Q-Tip und Denaun sein – samt hartnäckigem Chorus. Der entspannte Baukasten von Leaving Heaven biedert sich mit seinem Skylar Grey-Refrain weniger eindimensional an Stadion oder Radiosender an, als man das von Eminems jüngeren Alben gewohnt ist, während der okaye Bouncer Godzilla trotz billiger Installation von der brillant aufblitzenden Performance von Eminem und seinem Konterpart Juice Wrld, nun ja, lebt. Dem sedativen No Regrets besorgt Don Toliver ein bisschen ruhig-verschmusten Stangenware-R&B und Kxng Crooked, Royce da 5’9″ sowie Joell Ortiz verleihen dem sinistren I Will sogar durchaus Suspence. Über allem steht aber dennoch Lock It Up, weil es einfach eindrucksvoll ist, welche enorme Präsenz Anderson. Paak selbst einer durchschnittlichen Nummer verleihen kann. Damit wird der ins Abseits geratene Marshall Mathers wie mit Music to be Murdered By im Ganzen verdienen und leben können – es ist aber nichts, worauf er stolz sein muß.
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