Eminem – Kamikaze
Eminem ist angepisst, dass Revival zu einem der von Kritikern (und, was er hier geflissentlich zu übersehen neigt: auch Fans) meistverissenen Alben jüngerer Vergangenheit avancierte. Diese Wut alleine kann Kamikaze nun qualitativ nicht vollends tragen, sorgt aber zumindest für einen minimalen Anstieg der Leistungskurve.
Sicherlich tut jene erbost-fokussierende Impulsivität einem offenkundig erstaunlich dünnhäutigen Marshall Mathers gut, die auch dafür sorgte, dass Kamikaze praktisch aus dem Nichts kommend überfallsartig erscheinen musste, um sich mit borniert-beleidigter Wut über die vermeintlich unfaire Rezeption von (dem an dieser Stelle rückblickend wohl etwas zu wohlwollend bewerteten) Revival auszulassen. Schließlich bedingt der trotzige Battle Mode-Unmut trotz eines bisweilen abgehakten Flows für eine kraftvolle Performance – und gerade in der Anfangsphase der Platte durchaus für einige die Erwartungshaltungen düpierende Lichtblicke.
Das minimalistisch inszenierte und beinahe steril produzierte The Ringer lässt Eminem etwa ebenso wie das aufgeräumte Normal ordentlich Platz im ablenkungsfreien Spotlight für abgelassenen Dampf, das dringliche Greatest ist macht seinen angedeuteten E-Gitarren und sportlichen Beat sogar als potentes Workout Spaß – dem wie einem Gros des versammelten Materials aber die wirklich starke Hook fehlt, um begeistern zu können.
Das trappige, rundum gelungene Lucky You ist dagegen mehr als eine ambitionierte Bühne für Joyner Lucas, bevor Mathers den Track nachdenklicher ausbremst, und das versöhnlich angelegte Good Guy einnehmend schwelgt. Allesamt keine ikonischen Szenen, sicher, aber rundum gut gemachter Rap, der zudem überzeugender funktioniert als nahezu alles, was Revival zu bieten hatte.
Was natürlich auch daran liegt, dass die Standards spätestens nach dem Vorgänger nicht mehr sonderlich hoch liegen und man als Fan genügsamer und milder geworden ist. Dennoch frustrierend, dass Kamikaze das Niveau seiner stärksten Momente keineswegs über die volle Distanz halten kann, sondern qualitativ immer wieder nachlässt und phasenweise auch wieder absolut unnötigen Ausfällen Platz genehmigt, die den Gesamteindruck ärgerlich trüben.
Die sich schnell abnutzende Migos-und Co.-Trollerei Not Alike ist etwa nicht ansatzweise derart giftig pointiert und auf den Punkt gebracht wie ein paar Sekunden Snoop Dogg, sondern schraubt eher zu bemüht an den Nerven. Wo die beliebige Routine-Technikdemonstration Fall ohne Seele keinen Eindruck hinterlässt, bleibt vom stimmungsvoll pluckernden Titelsong (wenn überhaupt) primär nur die Justin Vernon-Zwangsbeglückung zurück. Der schier grausame Totalausfall Nice Guy kann nebst bemitleidenswerten Texten und dürftigem Duettmodus mit einer schreckschraubend-aufdringlichen Jessie Reyez ebensowenig den Hang Eminems zur billigen Powerballade standhalten, wie der lahm-weichgespült anbiedernde Chorus (vom an sich emotionalen D12-Rückblick) Stepping Stone letztendlich blutleer bagatellisiert. Und das dümmlich unterhaltsame Venom ist mit seinem rollenden Verlangen episch sein zu wollen dann zumindest eingängig und catchy, fällt aber als Closer deplaziert aus dem Kontext. Symbolisch
Schwer zu sagen also, ob die vergleichsweise Steigerung von Eminem seit dem vergangenen Jahr nicht eher doch nur daran liegt, dass er diesmal weniger dezidiert viel falsch macht und sich einige der gravierendsten Fehltritte von Revival verkneift – etwa die Stafette an penetrant poppigen Gesangsparts und die damit verbundene groteske Gästeliste, auch ermüdet die kompaktere Länge von 46 Minuten von Kamikaze trotz vieler leerer Meter seltener.
Letztendlich wächst Kamikaze hinter seinem Überraschungsmomentum aber auch aus dieser Ausgangslage zu selten über mediokre Basis hinaus und hält den Erkenntnis- sowie Mehrwert zudem in Grenzen: Wo die meist austauschbaren Beats praktisch ausnahmslos uninspiriert generische Routinearbeiten ohne zündend hängen bleibende Geistesblitze darstellen, zeigt sich Eminem einmal mehr als technisch makellos aufdrehender, emotional aber mittlerweile wenig variabler Rapper, der abseits eines eindimensionalen Frustabbaus wenig gehaltvolles zu sagen hat und stellenweise mit geradezu dürftigen Lyrics an die Stirn greifen lässt, während man die geschmeidigere Dynamik seiner Frühphase und Heydays schmerzlich vermisst.
Letztendlich alles eine Frage der Relation, die ohne Revival als Prüfstein kaum leise Euphorie wachsen lässt, mit seinem Vorgänger im Rückspiegel aber den Schein bereitwillig trügen lässt und sich beinahe irgendwo in der Nähe von Eminems Platten aus den Jahren 2004 bis 2013 einordnen hätte können. Nach über 20 Jahren im Business (und genau genommen gerade einmal zweieinhalb herausragenden Alben auf der expliziten und makellosen Haben-Seite der Diskografie) fühlt sich Kamikaze dennoch vor allem wie eine vertane Chance an, die vorhandenes Potential nicht effektiv genug nützt und seine Agenda selbst im Idealfall schaumgebremst verwässert. Gekürzt auf seine besten Momente würde Eminem jedoch zumindest genug Material für eine zufriedenstellende bis gute EP liefern. Und damit eine angriffslustige Abbitte, die doch ein wenig zuversichtlicher in die Zukunft des 46 Jährigen blicken.
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