Elder – The Gold & Silver Sessions
Elder arbeiten bereits am Nachfolger zu Lore (2015) und Reflections of a Floating World (2017), legen jedoch erst einmal eine Verschnaufpause ein: The Gold & Silver Sessions ist “an experimental EP of ranging psychedelic jams“ – zurückgelehnter Progressive Rock, der zum psychedelischen Folk und Krautrock flaniert.
Im Herbst 2018 während während einer kurzen Tourpause (den Linernotes folgend offenbar komplett im Alleingang von Nick DiSalvo?) im Big Snuff-Tonstudio in Berlin aufgenommen, stellt The Gold & Silver Sessions eine 34 minütige Nebenhandlung zum stilistisch immer weiter voranschreitenden Narrativ der regulären Studioalben dar, das Elder für die PostWax-Serie abseits ihres angestammten Trademarksounds in durchaus ungewohnter Kontemplation zeigt.
The Gold & Silver Sessions ist ein dreiteiliger, rein instrumental mäandernder, aber keineswegs zielloser Jam durch den relaxten Progressive Rock: Anschronistisch, soft und versöhnlich, weich und organisch produziert, eine zutiefst verträumte Trance. Elder nutzen dafür keinen Gesang und kaum Riffs, nur minimalen Fuzz und höchstens Facetten ihrer typischen Heavyness. Die Gitarren dösen mit strukturoffenen Linien an wundervoll zart improvisierten Melodien; verändern die Dynamik, ohne Tempo oder Intensität jemals wirklich provozieren zu müssen, lassen die Gedanken schweifen, zu Grateful Dead und Pink Floyd, vielleicht sogar zu kaum schwerfälligen Earth und zum Retro-Bewustsein von VUG.
Eine Gangart, die vielleicht per se kaum originell wiegt und weniger explizit erinnerungswürdige Ideen, Szenen und Motive verankert, als dass man vielmehr die ganzheitliche Stimmung geniest, sich in die fast schon nostalgische Atmosphäre verliert, dazu ob der grundlegenden Klasse der Performance und des musikalischen Gefühls für imaginative Tiefgründigkeit erfüllt wird – eben ganz von der fein texturierten Improvisation sorgsam konstruierter Jamsessions lebt.
Was als explizite Ausprägung der ruhigsten Momente der bisherigen Bandgeschichte durchaus irritieren kann, offenbar nicht wenigen Langzeitfans zu unspektakulär und friedvoll agiert – mit jedem Mal aber eine umso verführerische, verinnerlichte Meisterhaftigkeit entfaltet, in sein eigenes eklektisches Raum-Zeit-Kontinuum zieht und dort in sich selbst geht.
Gleich Illusory Motion verlagert dafür den Stoner und Doom der Elder-Marke mit zurückgelehnt entspannt groovender Motorik der Rhythmussektion, die Gitarre tändelt leger, wie eine tiefenentspannt-entschleunigte Reminiszenz an Texas Flood, Americana und Co. um das Lavalampen-Mellotron. Erst hinten raus bringen Elder ein bisschen Spannung in das bewusst freischwebende Wesen hinein, bleiben aber selbst hier auf versöhnliche Weise sinnierend, fliesend, latent psychedelisch – ein niemals trippiges, aber hypnotisierendes Kaleidoskop.
Im Morgengrauen gibt sich sogar noch ätherischer, beginnt wie eine Tangerine Dream-Perspektive mit elegischen Black Mountain-Vibes auf Bohren & der Club of Gore, der einen retrofuturistischen Synth-Anstrich bekommt. Dennoch bleibt die Nummer mit fünfeinhalb Minuten Spielzeit eher ein Bindeglied und Interlude, ein Vorspiel auch, das seine wirklich einnehmende Stimmung gefühltermaßen nicht restlos befriedigend abschöpft. Gerade auch, weil Elder die Fäden ihrer Jams in den beiden längeren Tracks zu durchwegs schlüssig aufgelösten Songs zusammenführen, wirkt Im Morgengrauen eher wie eine Skizze, in der man gerne ausführlicher eingetaucht wäre.
Ausführlichkeit ist dann die Stärke des überragenden Weißensee, das auf einem krautigem Loop gebaut von einem ebensolchen Rhythmus übernommen wird, und über knapp 19 kurzweilige (!) Minuten wandern wird. Die Gitarre hallt nur einzeln im Reverb angeschlagen in den ebenso relaxten wie tighten Klangkosmos. Langsam wächst alles über der aus der Zeit gefallenen Atmosphäre zusammen, wird nach und nach knackiger, addiert sogar phasenweise ein paar verloren geglaubte Trademarks an der Gitarre, bevor auf die letzten Meter eine Orgel ohnedies das Rock-Climax-Ventil Druck abbauend öffnet, die Band sich heavier gehen lässt und durchaus optimistisch-hoffnungsvoll lächelnd ihre Wucht entlädt. Der Opus Magnum der EP wirkt am erschöpfendsten, lässt die beiden vorangegangenen Songs rückblickend fast schon zu kompakt erscheinen.
Auch abseits davon polarisiert The Gold & Silver Sessions vielleicht. Eigentlich absurd, denn Elder zeigen mit dieser in homogenen EP, dass sie ihr Spektrum eben auch von der anderen Seite der Härteskala und abseits ihrer theoretischen Komfortzone meisterhaft bedienen können. Insofern wäre es durchaus eine feine Sache, wenn die diesen Ansatz noch weiter verfolgen und vielleicht ja auf dem kommenden Studioalbum mit mit ihren bisherigen Stärken aufwiegend konsequent zu Ende denken könnten. So oder so: The Gold & Silver Sessions fühlt sich wie die bestmögliche Ruhe vor dem nächsten potentiellen Sturm an. Chapeau!
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