Elder – Omens

von am 20. April 2020 in Album

Elder – Omens

Progressiver Heavy Rock, in die Psychedelik gebeamt: Elder entfernen sich auf Omens weitestgehend vom exzessiven Stoner Rock rund um den hauseigenen Zenit Lore (2015) und bündeln die Perspektiven von Reflections of a Floating World (2017) und The Gold & Silver Sessions (2019) so strukturoffen wie möglich.

Es ist keineswegs so, dass Elder (entlang einer ungeachtet des Ergebnisses ohnedies bereits durchaus bewundernswerten Konsequenz und Hingabe in der Evolution, die die Band im vergangenen halben Jahrzehnt hingelegt hat,) ihr Wesen nach vier Studioalben nun bis zur Unkenntlichkeit verändert hätte – der Charakter von Omens lässt in Nuancen durchaus noch Erinnerungen bis zu Dead Roots Stirring aufflackern, wenn auch nur sehr vage.
Dennoch hat sich das Auftreten spätestens jetzt drastisch gewandelt: Omens ist so luftig und (im positiven wie negativen Sinne) zwanglos inszeniert, dabei nicht die Geburtsstunde, sondern der vorläufige Abschluss der Metamorphose von Elder als Jam-Band. Die Frage, wo hier die Kompositionen aufhören und der pure Freigeist anfängt, wird jedenfalls mit dem allgegenwärtigen Verweis auf Motorpsycho, improvisatorische Formen und langen Melotron-Passagen geklärt; mit einer Reise ohne Narrativ oder Plot, die der trippigen Imagination Nahrung liefert – als polarisierenden Scheidepunkt für Puristen wahlweise aber ebenso überschaubar entlohnen kann, wie es den Hörer fordert.

Und es stimmt absolut: Omens läuft immer wieder Gefahr, den Zugriff auf die Emotionalität zugunsten eines zügellosen Muckertums zu vergessen, sich zu verlieren. Generell gibt die Band den Hang zum Mäandern und unfokussierten Flanieren nämlich hemmungslos nach, was Stärke und Achillesferse gleichermaßen ist – weil man zumindest in der richtigen Stimmung sein muss, um der knappen Stunde Spielzeit überhaupt folgen zu wollen, in der Aussicht, dass die Destination keinen erlösenden Endpunkt anbieten wird. Was gerade hinten raus jedoch auch mit Wohlwollen eine ambivalente Forderung ist, wenn die Balance ein klein wenig zum Selbstzweck und doch aus den Fugen gerät – paradoxerweise, weil Elder sich in der zweiten Hälfte der Platte nicht mehr immer vollends in den eingeschlagenen Weg fallen lassen.
Wo Nick DiSalvo das Musikmeer generell mit griffigen, wie Inseln auftauchenden Gesangspassagen zusammenhält, selbst wenn er dafür als limitierter Sänger am Mikrofon immer wieder an seine Grenzen stößt, mutet das knackiger gemeinte, stringenter ausgelegte Embers – so wichtig es für die Dynamik zu diesem Zeitpunkt der Platte auch gemeint ist – wie eine minimal aus dem Leim gegangene Unentschlossenheit an, die als Instrumental ausnahmsweise noch besser gewesen wäre, als Schwachpunkt der Platte aber alleine deswegen kein Ausfall ist, weil Elder sich im weiteren Verlauf und über Fusion-Versatzstücke fangen, die über wie majestätischer Spannung Mahavishnu Orchestra-artige Facetten zeigen.
Das schippernde One Light Retreating als Closer kann und will danach ebenfalls kaum mehr Eindruck schinden, jedenfalls keinen explosiven Eindruck mehr provozieren, doch ab der späteren Konzentration auf die ambiente Stimmungsarbeit funktioniert das dann doch noch versöhnlich.

Ein paar Meter weniger hätten Omens also gut getan. Und das, obwohl gerade die ersten Hälfte durch noch weitere Wege einen Sog entwickelt, der eine allzu analytische Rezeption ausschaltet, Elder vielleicht mehr denn je auf intuitive Weise verstanden werden lassen will.
Das Titelstück wagt dafür den retrofuturistisch-modulierter Einstieg, breitet ein erhebendes Riff (vielleicht das einzig charakteristische der Platte übrigens) auf einen warmen Orgel-Teppich aus, bremst sich ein, und bietet damit den bedächtig ausgebreiteten Rahmen für eine sehnsüchtige, hoffnungsvolle Kaskade aus imaginativer weite, die friedlich abdriftet, träumt von Erinnerungen an Pink Floyd,  durch den Filter von Crippled Black Phoenix gedrückt, um die Gitarren von von der Leine zu lassen. Ein Weg, der danach konsequent immer weiter fortgesetzt wird, die Konturen lösen sich bis zum Herzstück nicht auf, doch geben sie sich bisweilen vollends der Strukturoffenheit hin. In Procession ist schließlich noch weicher, friedvoller und zurückgelehnt, hat ein paar Lavalampen im Hintergrund und Poster von Black Mountain, analogen Keyboards und frühen Baroness im Space-Modus an den Wänden, bevor Halycon ein krautiges Sinnieren mit postrockigen Zügen zwischen Mogwai und Opeth darstellt, und mit seinem heroisch in ein stellares Finale zeigenden Körperlosigkeit wahlweise das transzendentale Highlight als von Raum und Zeit losgelöster Rausch ist, oder den enervierenden Verlust jedweden roten Fadens für bisslose Hintergrundgeplätscher-Elder darstellt. Das Urteil kann nach Tagesverfassung variieren, schlägt aber meistens nicht nur ohnedies zum ersten Trend aus, sondern hat auch aus der zweiten, reservierteren Perspektive stets seine Reize.

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