Elder – Innate Passage

von am 30. November 2022 in Album

Elder – Innate Passage

Gerade mit den noch frischen Eindrücken einer fulminanten Liveperformance (und natürlich der tollen Eldovar-Kooperation) im Rücken kann Innate Passage (auch aufgrund der falschen – und letztendlich ja doch erfüllten Erwartungshaltung?) schon ernüchternd und schlichtweg unterwältigend vorstellig werden – erweist sich am Ende aber als Grower, der Elder gefühltermaßen beim Ankommen zeigt.

Man muss sich angesichts der Umstände erst damit arrangieren, dass Elder im Studio gar nicht denselben immensen Druck zu (re)produzieren versuchen, den sie auf der Bühne erzeugen, um sich mit dem relativen inszenatorischen Müßiggang von Innate Passage anzufreunden. Denn ja – man darf die Produktion ungeachtet aller im Endeffekt entdeckbaren Vorzüge trotzdem ein wenig zu verwaschen und im Artikulieren der individuellen Akzente zu träge umgesetzt finden: ein bisschen mehr dezitierte Kraftdemonstration hier und da hätte nicht geschadet, um die Konturen der Platte zwingender zu gestalten.
Doch scheint man sich im Hause Elder unter der Ägide von Linda Dag im Clouds Hill Studio freilich schon Gedanken über das Auftreten gemacht habe. Zwar bleibt es (bei aller Liebe!) dabei, dass die Band immer dann am besten ist, wenn (der mit keiner per se schlechten, aber eben doch irgendwo zu ausdruckslos einsetzbaren Stimme ausgestattete) Nicholas DiSalvo nicht singt. Diesen Umstand bauen Elder und Dag diesmal aber so homogen, wie auf keiner anderen Platte seit der Progrock-Zäsur nach Lore ein, und setzen die Vocals endlich nicht mehr als bemühte, kaum packendes Momentum erzeugen könnende Beigabe ein. Stattdessen wirken die Gesangspassagen nun als stimmungsvoll in den Kontext eingewobenes Element, das vielleicht keinen unbedingt essentiellen Beitrag zum Gelingen der Rush-affinen Jam-Konstruktionen leisten mag, ihm als Orientierungspunkt aber diesmal auch nicht mehr im Weg steht und sogar für die eine oder andere wohlkingende Facette in das Geschehen schraffiert.

Keine Kompromisslösung, sondern eher ein ganzheitlicher Ansatz, der die Heaviness vergangener Tage endgültig erfolgreich mit den jüngst installierten Tugenden um butterweich mit Mellotron und Keyboard auswattierte Reisen aufwiegt – was Innate Passage gewissermaßen zu dem Album macht, an dem Elder mit Omens noch ein klein wenig gescheitert waren.
Ausführlicher richtig ist aber auch, dass der Sound der Wahl-Berliner auf verträumt-transzententaler Ebene diesmal in seinem oft elegischen Prog-Wandern nicht nur idealer funktioniert als zuletzt, sondern das Songwriting seinem unterstrichenen Hang zur epischen Hymnik wieder knackiger anlegen darf, all die reichhaltig texturierten Melodien mit wohltemperiertem Understatement ausbreitet.
Catastasis perlt neugierig funkelnd über eine unglaublich smoothe Erinnerung an den Doom, flaniert um retrofuturistische Tasteninstrumente, taucht und gleitet ohne Eile im kontemplativen Zug und geht hinten raus mit harmonischer Unterstützung von Behrang Alavi (Samavayo) am Mikro in einer fast folkloristische sinnierenden Vision auf, wie Lore-Stoner als Streicheleinheit von Opeth kligen könnte.
Das schwungvoller angelegte Endless Return profitiert abermals von Alavi, flirtet jedoch als Heavy Psych an der orbitalen Grenze zum Space Rock-Delirium mehr als erolgreich mit Motorpsycho. Schade nur, dass die Nummer justament ausfadet, wenn im Finale nochmal Schwung aufgenommen wird. Ein Schicksal, das auch Coalescence teilen wird, wenn Elder mitten auf der schmissigen Kraut-Ausfahrt den Stecker ziehen.

Der Weg dorthin ist allerdings spitze. Coalescence brandet auf, schließt aber unmittelbar doch die Augen (oder öffnet wahlweise in halluzinogener Trance vielmehr das dritte) und genießt die kontemplative Idylle zwischen Musik und Gesang: Die Spannungsbögen der Gitarren-Welten und der Groove heben nicht dorthin ab, wohin die Stimme nicht folgen können, sondern tragen sie mit, bevor man sich im beiderseitigen Einverständnis löst und später so natürlich wieder zusammenfindet. Das ist keine Limitierung, sondern ein Finden und Einrichten der gemeinsamen Komfortzone. Alle Aspekte dieser Inkarnation von Elder operieren nun als Einheit.
Danach wird es sogar noch besser: Das Highlight Merged In Dreams – Ne Plus Ultra folgt dem Fluss, um die die Gitarren wahrhaft majestätisch und triumphal auszupacken, und so energisch zu galoppieren, als wollten Elder (obgleich eben etwas pappig klingend) das energische Momentum nachholen, dass sie bisher schweifen ließen – nur um mittendrinnen eine weiche Gesangslinie zu kredenzen, die DiSalvo gefühlvoller als je zuvor klingen lässt.
Dass der Klimax zu einem der edelsten der ganzen Elder-Historie gehört passt da nur zu ideal, bevor dem zu abrupten Ende der nahtlose Übergang zu The Purpose zuvorkommt. Im Schlusspunkt hat das Quartett (nebst der Unterstützung von Abo-Gast-Keyboarder und Kumpel Fabio Cuomo) alle Zeit der Welt, um sich in purer Schönheit zu ergehen und das märchenhafte, malerische Element zu preisen. Spätestens hier scheint das seit 2019 bestehende Line-Up – neben Nick DiSalvo Langzeitbassist Jack Donovan, Gitarrist Michael Risbergund der hier seinen Studio-Einstand gebende Drummer Georg Edert – auch angekommen: Innate Passage die Findungsphase und Metamorphose der vergangenen Jahre ein Stück weit ab und wächst unbedingt befriedigend im durch und durch vertrauten, keine tatsächlich neuen Tricks an den Tisch bringenden Hohheitsgebiet mit genutztem Optimierungspotential im Detail. Daran passt sich die Erwartungshaltung (und der täuschende Ersteindruck) gerne an, ohne sich auch nur einen Millimeter verbiegen zu müssen.

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