Elbow – Flying Dream 1
Always keep on the Bright Sight of Life: Elbow haben mit Flying Dream 1 ein unendlich zuversichtliches, positives Album aufgenommen. Und auch so ein vermeintlich unscheinbares, dass es seine Vorzüge erst gar nicht wirklich demonstrieren will.
Zum Glück hat spätestens Giants of All Sizes überdeutlich gemacht, dass selbst ein ausnahmsweise etwas schwächer vorstellig werdendes Album der Briten einfach nur etwas mehr Zeit braucht, um seine Qualitäten voll zu entfalten – Geduld und Vertrauen sind aber eigentlich auch das mindeste, was Elbow nach zwei makellosen Jahrzehnten verlangen können. Das durchaus in mehrerlei Hinsicht selbstreferentiell betitelte (und auch in weiteren Songnamen eindeutige Verweise auf die eigene Vergangenheit auffahrende) Flying Dream 1 macht von diesem Anspruch dann auch noch ergiebiger Gebrauch als all seine seine neun Vorgängeralben, indem die erste Begegnungen (mit der rein auf schwelgende Balladen vertrauenden, zumeist auf Guy Garvey und ein Piano als Epizentrum bauenden Platte) ohne jedwede Sperrigkeit wenig konkretes hängen lassen wollen, harmlos und vielleicht für manch einen gar langweilig erscheinen mögen…
…bis nach und nach die sanfte Magie einer subversiven Ode an den Optimismus zu wirken beginnt und sich all die Melodien und Texte in liebenswürdig unspektakulären Nuancen und Facetten zu einem der homogensten und rundesten Alben der Bandgeschichte auszuwachsen beginnen; man irgendwann in einem Reigen aus zehn heimlichen, grandios arrangierten Ohrwürmern badet.
Ein vorsichtiges Besenschlagzeug und ätherisch entrückter, auch im weiteren Verlauf in immer anderen intimen Variationen agierender Chor begleiten dann die wogende Anmut des zauberhaft plätschernden Pianos im Titelsong, während die luftige Acoustic von After the Eclipse trotz Harmoniegesängen so komplett unangestrengt wie ein progressiver Hippietraum im Artrock anmutet, zutiefst friedlich, hypnotisch ruhig fließend. Is it a Bird bringt der Contenance einer stoische Drummachine dagegen den neugierig sinnierenden Jazz nicht erst mit einem verschmusten Noir-Saxofon bei. Calm and Happy tastet schüchtern verhalten, zaubert jedoch einen umwerfenden Refrain in den Minimalismus der Talk Talk-Schule, bevor auch Come On, Blue ähnlich erdacht ist, um in einem Ballsaal mit glücklich geschlossenen Augen schunkeln zu können. In The Only Road wird der an sich stur nach vorne gehende Beat von der zärtlichen Atmosphäre in meditative Watte gepackt und am Ende steht eine sentimentale Gänsehaut mit Blick auf den Nachwuchs: „And I’ve never been so sure/ That I was right where I should be In my whole life“.
Ein für 45 Minuten geltendes Mantra, den genau so fühlt sich dieser Flying Dream 1 an, egal ob die pastorale beschwörende Geste der Leidenschaft von Garvey in Red Sky Radio (Baby Baby Baby) vom das Kollektiv so dezent wie möglich eingerahmt wird und The Seldom Seen Kid, der verspätete Quasi-Titelsong zum 2008er Album, eine unscheinbar in den Arm nehmende Fantasie ist – oder ob Elbow ausnahmsweise doch ein wenig extrovertierte auftreten: Six Words bekommt als märchenhaft Liebeserklärung mit kleinen Weisheiten („Only falling gives you wings like these“) einen markant schwofenden Rhythmus, den man eher von sedativen Doves erwarten würde, zumal zahlreiche Stimmen sich entspannt tänzelnd aneinderschmiegen, und What Am I Without You deutet mit Finalcharakter sogar doch noch irgendwo die große, fast pathetisch ergebene Geste an.
Angesichts der isolierten Lebensumstände hätten sich die Bandmitglieder im Vorfeld der Produktion nur aufbauende, ermutigende Nachrichten geschickt, sagt Garvey über Flying Dream 1, rein auf schöne Erinnerungen konzentriert.
Dass Elbow in Zeiten einer zermürbenden Pandemie mit dieser hoffnungsvollen Einstellung auch keineswegs in die ereignislose Gefälligkeit oder gemütliche Altersmilde verfallen sind, sondern einfach mehr denn je auf uneilig wärmende Tugenden wie Vertrautheit und Trost, Freundschaft und Geborgenheit, in einer sich immer familiärer anfühlenden Ausstrahlung setzen, ist also kein sofort überwältigendes Spektakel. Aber dieser Ansatz wirkt mit jedem Durchgang reichhaltiger und erfüllender, tut einfach verdammt gut. So sehr, dass es irgendwann eben doch faszinierend ist, wieviel Liebe dieser subversiv umarmende Grower von einer Platte zu geben bereit ist, ohne dafür den Kitsch zu bedienen, oder sonderlich viel an aufwändiger Gegenleistung zu verlangen.
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