Elbow – Dead in the Boot
Lange angekündigt und noch länger aufgeschoben versammeln die fünf schrulligen Engländer endlich dreizehn bisher neben ihren Alben unterzugehen drohende Perlen, die abermals vor Ohren führen, warum Elbow seit Jahren schon jedermans Lieblingsband sein sollte.
Was lange währt, wird also endlich gut – dennoch sind seit der ersten Ankündigung Guy Garveys, die B-Seiten im Hause Elbow anhand einer Compilation auslüften zu wollen, zahlreiche und natürlich viel zu viele Jahre ins Land gezogen, respektive Biergläser geleert worden. Dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung dennoch optimal getimt zu sein scheint, hat dann auch weniger mit ‚First Steps‚, dem Beitrag Elbows zu all den Olympia-Songs 2012 (und nebenbei gesagt: der Beste!) oder der letztes Jahr auf den Markt gebrachten, bandeigenen Biersorte zu tun als mit dem auf ‚The Seldom Seen Kid‚ folgenden Durchbruch (finanziell wie als Lieferant von episch angelegten, musikalischen Werbe- bzw. Filmuntermalungen) und der letztjährigen, so stillen wie einnehmend unscheinbaren Verweigerungshaltung ‚Build a Rocket Boys!‚, auf der Elbow erstmals bewusst unter dem Banner der Reduktion durch Erwartungshaltungen durchsegelten und sie gerade dadurch abermals aufs famoseste bedienten. ‚Dead in the Boot‚ knüpft nun also tatsächlich annähernd dort an, insofern, dass es den Weg der melancholisch aufwühlenden, inszenatorisch zurückhaltenden Unscheinbarkeit fortsetzt, quasi absolut stimmig in die Discographie drängt und verhilft den seit jeher so grandiosen B-Seiten der Kampftrinker aus Manchester damit zur wohlverdienten Aufmerksamkeit abseits von Sammlungen kaufkräftiger Kompletisten und Hardcorefans.
Wird doch auch jeder Gelegenheitshörer auf ‚Dead in the Boot‚ finden, was man an Elbow einfach lieben muss: die tief ins Glas blickende Traurigkeit, die einfühlsame Wärme in der Atmosphäre, die klugen Texte nahe an den ewig geltenden Lebensweisheiten, der aufbauende Arm auf der Schulter des Gepeinigten – Elbow schreiben immer schon Musik, wie eine innige Umarmung nach dem Weltumtergang, oder zumindest der letzten erduldeten Lebensprüfung. Wo andere Bands abseits ihrer Alben gerne experimentieren, schrauben die fünf Barfreunde weiter an der Perfektion ihres Trademark-Sounds, treten allerdings eine gute Spur leiser. Deswegen zeigt ‚Dead in the Boot‚ die großen Gesten deutlicher aussparend als es auf den dazugehörigen fünf Studioalben der Engländer meist der Fall ist – stemmen doch meistens die wohlbekannten, sanft und anmutig an der Sehnsucht entlangsegelnden Piano- und Klavierwolken sowie Garveys samtweiche Bärenstimme die ansonsten gerne spartanisch dahermarschierenden Songs um Gitarren- und Rhythmuskleid. So bildet sich auch ungeachtet des Entstehungsdatums ein angenehm wehender Albumfluss, ‚Dead in the Boot‚ kann es sich leisten, Nebenprodukte aus allen Schaffensphasen wild durcheinander wuchern zu lassen anstatt chronologisch zu reihen und dennoch schlüssig aneinander zu schlichten.
So grandios, und nur marginal unter der Qualität der regulären Albumtitel das nun auch durchgehend geraten sein mag, am besten ist das dennoch, wenn es aus der künstlerischen Hochphase der Band stammt, also bis zur Mitte des letzten Jahrzehnts hin, zwischen ‚Asleep in the Back‚ und ‚Leaders of the Free World‚ pendelt. Als Elbow neben Albenmeisterwerken auch Glanzstücke wie das bluesig patrolierende ‚The Long War Shuffle‚ gelangen, der purzelnde Klaviaturreigen ‚Whisper Grass‚ mit Herzen in den glasigen Augen, der an Tom Waits heranheulende Säufer ‚McGreggor‚ oder der leise Chillout-Elektronik-Pluckerer ‚Lucky With Desease‚, der die Band ganz am Anfang ihrer Kariere vielleicht noch weiter draußen zeigt als jemals danach. Das junge ‚Every Bit the Little Girl‚ straft diese These als unheimlich spartanischer Talk Talk-Schüler im entrückten Score-Pop Land jedoch vehement Lügen und stellt außerdem wieder einmal die Frage, wie Elbow in eigentlich so unkonkrete Momente eine derart innige, berührende, gleißende Schönheit in ihre Songs packen können. Eine so unvergleichliche, geradezu unheimliche dazu, die einem die Band auch im hundersten Film- oder Werbeeinsatz nicht verleiden kann, weil es eben auch nur eine handvoll Gruppen da draußen gibt, die sich auf dem Niveau bewegen, welches Elbow nun seit über einem Jahrzehnt bedienen. Deswegen darf es eigentlich auch nicht überraschen, dass Guy Garvey und Konsorten nun mit einer meditativ brütenden B-Seiten Sammlung um die Ecke biegen, die selbst als reguläres Album bedingungsloszu begeistern wüsste.
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