Editors – The Blanck Mass Sessions
Erst hatten die Editors nicht die Eier, die Songs von Violence ohne nachträgliche Kompromiss-Bearbeitung von Leo Abrahams zu veröffentlichen, nun wollen sie nicht von den ursprünglichen Blanck Mass Sessions lassen können.
Was hat man sich doch ausgemalt, wie extrem und radikal die ausschließlich von Fuck Buttons-Hälfte Benjamin John Power aka Blanck Mass betreuten Aufnahmen zum sechsten Studioalbum von Tom Smith und Co. wohl ausgefallen sein müssen, bevor Produzent Abrahams als konventioneller Puffer die Platte um „ein menschliches Element“ korrigierte.
Nun, mit knapp 13 Monaten Abstand, werden diese Fantasien relativiert und klare Verhältnisse nachgeschoben: Ja, die The Blanck Mass Sessions klingen etwas besser als das reguläre Album Violence, weil sie bestimmter veranlagt sind und eine klarere Linie verfolgen, stellenweise auch einfach interessantere Arbeitschschritte an der Grenze zur tatsächlichen Kooperation skizzieren. Aber nein, so kompromisslos wie (angesichts des bisweilen brachial Härte von Powers Soloalben und der prolongierten freien künstlerischen Hand des Studiobastlers) erwartet sind die nun versammelten 37 Minuten keineswegs.
Das beginnt beim Blick auf die Tracklist, artikuliert sich aber natürlich primär durch die acht Songs, die sich gar nicht so gravierend von ihren letztendlich auf Violence veröffentlichten Versionen unterscheiden, eher durch Details einen gefälligen Konsens zwischen der rigorosen Blanck Mass-Produktion mit der inzwischen relativ glatten Bekömmlichkeit der Editors verbindet. Nothingness bleibt etwa auch mit etwas strafferen Texturen eine Schlaftablette, und ohne Elektronenmikroskop erscheint Magazine nun sogar geradezu obsolet, während das redundante Cold zumindest im episch gemeinten Refrain die Keyboards flimmern lässt.
Eigentlich unfair, denn vordergründig ist es die Ungunst der späteren Veröffentlichung, die die nun nachgelegten Ur-Versionen als gefühlte Nachbearbeitungen undankbarerweise wie zu ängstliche und inkonsequente Änderungen oberflächlicher Designdetails anmuten lässt, die den Sound zu wenig drastisch in die Elektronik verschieben. Zwar bleiben die Blanck Mass Sessions letztendlich ungeachtet dessen ohnedies enttäuschend handzahm, doch gewinnen die Nummern nichtsdestotrotz durch Powers Handschrift (sowie vor allem seine Fähigkeit, den pathetischen Stadionbombast expliziter einzudämmen) und ziehen somit meistens knapp an den Violence-Versionen vorbei.
Das eröffnende Barricades ist bisher unveröffentlicht, als ätherisch pulsierender Digital-Soul stellt die Single sowie eine zarte Schönheit mit andächtigen Beats und analogen Synthies dar, wohingegen Hallelujah (So Low) inmitten des klackerndes Gerüsts für den Chorus die losbrechende Breitwandgitarre gegen ein in die 80er flimmerndes Feuerwerk tauscht, dabei aber auch die Gewalt und das brachiale Spektakel vermissen lässt.
Violence badet danach in einer toll abgedämpft-pulsierenden, entschlackten Club-Stimmung, die einem treibend hämmernden Wohlfühl-Industrial öffnet und einnehmende Atmosphärearbeit praktiziert. Hinten raus fallen Blanck Mass und die Editors in die elektronische Minimal-Trance, drehen diese aber vor dem erfüllenden Depeche Mode-Jam weiterhin abrupt ab. Die poppige Harmlosigkeit Darkness At The Door bekommt durch eine rotierender programmierte, rasselnde Dancefloor-Drummaschine zumindest eine präzisere, kältere, nihilistischere Strenge und das bisher so egale Counting Spooks nimmt die apokalyptischer dröhnende Schlagseite nur zu gerne auf, um an In This Light And On This Evening zu erinnern.
Durchaus symptomatisch: Mit ein wenig mehr entschlossener Hartnäckigkeit und einer treffsicherern Songselektion hätten die Editors mit Violence in seiner ursprünglichen Version wohl ihr stärkstes Werk seit eben jenem zehn Jahre zurückliegenden Album abliefern können.
2 Trackbacks