Earthless – Night Parade of One Hundred Demons
Nachdem Black Heaven 2018 ein Paradigmenwechsel für Earthless zu sein schien, kehren Isaiah Mitchell (guitar), Mike Eginton (bass) und Mario Rubalcaba (drums) mit Night Parade Of One Hundred Demons doch wieder zu ihren Wurzeln zurück.
„Dieses Album enthält tatsächlich das allererste Earthless-Riff. Wir haben es gerade 20 Jahre nach dem Schreiben aufgenommen. Aber wir sind wirklich glücklich darüber, wie diese Platte herausgekommen ist. Wir glauben, dass es unser bisher bestes sein könnte.“ nimmt die Band den Mund nicht zu voll, während sie auch das konzeptionelle Motiv der Platte erläutert: „Wir sind auf ein Buch mit traditionellen japanischen Geistergeschichten auf die Night Parade of One Hundred Demons gestoßen. Ich mag die Idee, dass sich die Leute verstecken und den Wahnsinn hören, aber nicht sehen können. Es ist die Angst vor dem Unbekannten.“
Entgegen aller den Hintergrund der Platte beleuchtenden Theorie ist Night Parade Of One Hundred Demons allerdings ein weitestgehend praxisorientiertes und instinktiv funktionierendes Album geworden, das im Grunde über die Spielzeit von insgesamt 62 Minuten aus zwei überlangen, rein instrumentalen Jam-Sessions besteht, die den Heavy Psych und Stoner Rock im cinematographischen Spektrum erforschen.
Vom knapp 41 minütigen (und tracktechnisch nominell zweigeteilten) Titelsong an fließen die Grenzen dieser Platte bereits in die trippige Transzendenz, sofern man sich auf ihre Wirkungsweise einlässt, wenn Part 1 aus dem ambienten Morgen erwacht, die Gitarren mit sanftem Dela über die behutsamen Becken-Schlägen perlen und alle Zeit der Welt relativ wird: Ein entspanntes, zartes Erwachen, das nostalgisch von Pink Floyd träumt, nur um nach knapp sieben Minuten viel zu abrupt in eine Kaskade aus von Grateful Dead zu Comets on Fire gallopierenden Riff zu kippen, die den Rahmen für ein Endlossolo im lockeren Space-Halluzinogen-Groove so leger legt. So zugedröhnt kann man jedoch gar nicht sein, um nicht zwingend den Headbanger zu machen, während die Aggregatszustände der Nummer beständig wechseln, sich immer wieder zusammenzuschnüren scheinen und sich dann doch weiter gehen lassen.
Part 2 poltert dort übernehmend lange, lange, lange zu nebulösen Wahwah-Flächen, nicht nur an konventionellen Strukturen und klassischem Songwritingformen gemessen viel zu mäandernd – ein wenig zu selbstverliebte Nabelschau müssen sich Earthless vorwerfen lassen. Im Rausch verschwimmend spielt Zeit aber idealerweise kaum eine Rolle, gespenstisch zieht der Wind um die Häuser, während das Trio seine spooky Tirade immer wieder in Trance aufköchelt. Wenn nach 11 Minuten das Gaspedal durchgedrückt wird, wirkt das deswegen auch wie die pure Extase, die sich die Finger an glühenden Saiten im Wüstensand wundrubbelt, fette Riffs heulen, Earthless das doomigen Grund-Motiv jedoch als Ankerpunkt verstehen, als hätten Sleep eine Impro-Session mit The Mars Volta kreisen lassen, die auf ihren letzten Meter noch einmal randalierend-rotierend eskaliert.
Das abschließende Death to the red sun steht mit nur 20 Minuten Spielzeit dagegen fast kompakt, ist aus dem Playbook von Black Sabbath genährt und flaniert auf einem tighten, organischen Rhythmus, der auch die starke Produktion der Reise dokumentiert, wird zu einem immer griffigeren Easy Rider, ohne seinen weitschweifenden Impressionismus wirklich einzuschränken, so lässig, hungrig und gut abgehangen. Nach achteinhalb Minuten versetzt ein Highway-Tarantelstich neue Impulse, und so funktioniert Night Parade Of One Hundred Demons im Gesamten: Earthless stürzen sich immer auf wenig originäre, aber leidenschaftlich geborene Ideen, zelebrieren diese fast fiebrig und unstillbar, jagen sie in die Wüste hinaus und lassen offen, wie lange man sie am Horizont beobachten kann, bevor sie entweder an das Geschehen heranzoomen, oder neue Reize implementieren. Und trotzdem bleibt das Gefühl, dass dieser lebendige Stoff erst live so wirklich zünden wird.
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