Earth – Angels of Darkness, Demons of Light II
Meditativer Slow-Mo-Country nahe dem Herzstillstand: Dylan Carlson perfektioniert die zweite Inkarnation seiner legendären Band: besser waren Earth in dieser Form nie.
Doppelalben sind für gewöhnlich ja so eine Sache: Von der Plattenfirma wenig geliebt, weil sie mehr kosten aber weniger einbringen; von Künstlern selbst meist als Plattform für den spleenigen Glauben missverstanden, von der Muse im überdimensionalen Ausmaß geküsst worden zu sein – und dank dieser Fehlinterpretation als zu lange Balastmachwerke die Hassliebe des Hörers provozieren. Ausnahmen bestätigen freilich die Regel.
Die seit sieben Jahren als Blues/Country Band wiedergeborenen Drone Urväter Earth – im Grunde also vorrangig Mastermind Dylan Carlson – gehen den sicher auch für ihre Plattenfirma erfreulichen Mittelwerk und reichen dem letztjährigen ‚Angels of Darkness, Demons of Light I‘ nun einen zweiten Part nach, dessen Songs in den selben ergiebigen Sessions entstanden. Die Notwendigkeit die aufgenommenen Stücke tatsächlich getrennt voneinander an den Mann zu bringen, sei dahingestellt: Weil der Sellout Vorwurf auf Earth bezogen ohnedies lächerlich ist, ebenso der Verdacht, Carlson würde irrationaler Weise mangelnde selektive Fertigkeiten über die Liebe zu seinen Kompositionen an sich stellen. Denn eigentlich ist ‚Angels of Darkness, Demons of Light II‚ nicht nur das Quäntchen besser als sein Vorgänger, sondern eventuell auch die wahrscheinlich ausgefeilteste und gründlichste Arbeit, die Earth im Jagdrevier abseits des Drone bis dato zustande gebracht haben.
Der vollkommenen Entschleunigung ihres abgründigen Countryblues nähert sich die Band dabei schon mit dem eröffnenden ‚Sigil of Brass‚, welches die Schlagzeugerin und kongeniale Carlson Lebensgefährtin Adrienne Davies beinahe vollständig ausklammert: Gitarren umgarnen sich ohne jede Hektik, erzeugen eine atmosphärisch beispiellose Dichte und nehmen erst im folgenden ‚His Teeth Old Brightly Shine‚ an Fahrt auf, lassen einen Beat knapp vor Herzstillstand zu. Bereits zu diesem Zeitpunkt hat ‚Angels of Darkness, Demons of Light II‚ eine ungemeine Sogwirkung entwickelt, lässt seine einzelnen Stücke nahtlos ineinander überfließen und wird dabei klassisch Richtung Höhepunkt hin inszeniert:
‚A Multiplicity of Doors‚ erstreckt sich über13 Minuten und entwickelt sich organisch zum Western-Alptraum und zum Herzstück der Platte. Cellistin Lori Goldston spielt zwischen weinendem Herzblut und majestätischer Anmut, Wüstensand weht unnachgiebig durch den Song, das ist zeitlos und für die Ewigkeit gemacht. Der allgegenwärtige Jamcharakter lässt alle Möglichkeiten offen, aber keine losen Enden liegen. Earth spielen ihre Zeitlupencountry trostlos und anmutig, nahe der Perfektion. Als würden Bohren und der Club of Gore durch eine verlassene Geisterstadt ziehen. Der ähnlich geartete Appendix ‚The Corascene Dog‚ spinnt den Song zu Ende, wäre der ideale Schlusspunkt. Elf Minuten kommen jedoch noch, dass das mit dezenter Psychedelik schwanger gehende ‚The Rakehell‚ nichts essentielles mehr beizumengen hat, sondern bloß exzellente Earth-Standardware ist, schmälert die Meisterleistung jedoch nicht, die Carlson und seine Mitmusiker in den ‚Angels of Darkness, Demons of Light‚- Sessions zustande gebracht haben.
Und dass es eigentlich auch mal wieder ganz schön wäre, etwas härteres Material von Earth serviert zu bekommen, gerät angesichts der Qualität dieses verhinderten Doppelabums ohnedies in Vergessenheit. Dafür ist man um die Erkenntnis reicher: ‚Angels of Darkness, Demons of Light‚ wäre in seiner Gänze ein fabulöses Doppelalbum geworden, eines, dass ohne überflüssiges Gramm auskommt, stringend und mitreißend, ein Musterbeispiel seiner Zunft.
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