Earl Sweatshirt – SICK!
Gerade wenn man zu jener Minderheit gehört, die die (hier ja eh immer noch wirkende) Entwicklung von Earl Sweatshirt nach dem (vorläufigen) Zenit I Don’t Like Shit, I Don’t Go Outside nicht bedingungslos abfeiert, ist SICK! ein absoluter Grund zur Freude.
Zwar behält Thebe Neruda Kgositsile den mit Some Rap Songs und Feet of Clay installierten fragmentarischen Retro-Fetischismus und abstrakten Skizzen-Stil des Songwritings auf seinem vierten Studioalbum bei, doch navigiert er SICK! mit der produktionstechnischen Hilfe von The Alchemist, Black Noi$e, Navy Blue (alias Ancestors), Samiyam, Alexander Spit, Theravada und Rob Chambers dabei durch einige Feinjustierungen gleichermaßen zurück in womöglich griffigere und rundere, sicher aber homogener ausgelegte und weniger auf überdrehte Weirdness setzende (sowie auch durch die dunkle, melancholische Stimmung an 2015 gemahnende) Gefilde – also dennoch ebenso zu neuen Perspektiven.
Dass sich etwa in das neonperlend relaxte 2010, die gedankenverlorene Hypnose Vision (mit Zeloopers auf der Gästeliste), das sedativ entschleunigte Lobby (int) oder ein lebendig zum Grime schielendes Titanic fein nuancierte Trap-Elemente mit kohärent-gefühlvoll Hand einfüge,n verleiht der Platte einen aus der Zeit gefallenen anachronistischen Flow mit frischen Impulsen, der Earl nach vorne blicken lässt.
Selbst dabei visiert der 28 jährige mit SICK! eine ruhigere, kontemplativer-unaufgeregtere Gangart als zuletzt an, gibt sich auch ohne schmissige Hooks zugänglicher und kompakter, geordneter und weniger zerschossen, breitet seine Trance versöhnlicher aus, wenn etwa der Titeltrack oder das somnambule God Laughs die bedrückende Atmosphäre aufziehen, das Armand Hammer-Feature-Highlight Tabula Rasa souliger durch die Lounge klimpert oder Lye mit Bläsern flirtet, und das grandiose Fire in the Hole eine zurückgelehnte Gitarre dängelnd zeigt.
Das Aufräumen seines nun reduzierter akzentuierten Sounds in Verbindung mit einem generell straighter ausgelegten Fokus steht (dem raptechnisch wie immer liefernden) Sweatshirt jedenfalls ausgezeichnet, beschneidet nicht die individuelle Kraft seiner lethargisch-hungrigen Tracks, die ihre psychedelische Poesie mit süchtig machenden Kurzweiligkeit artikulieren. Mögen deswegen auch sicher die Some Rap Songs-Jünger widersprechen, aber: SICK! überholt alle seine Vorgänger und ist die bisher stärkste Platte aus dem Haus Kgositsile.
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