Dua Lipa – Future Nostalgia
Nach ihrem selbstbetitelten, doch ziemlich generischen Hit-or-Miss-Einstand vor drei Jahren verpasst Dua Lipa der Disco mit Future Nostalgia eine herrlich schwungvolle Frischzellenkur.
Nein, das Zweitwerk der 24 Jährigen ist dabei nicht die Palastrevolution, zu der es mancherorts in der durchaus nachvollziehbaren Euphorie erklärt wird. Dazu gönnt sich das passgenau betitelte Future Nostalgia dann doch den einen oder anderen Schönheitsfehler zuviel. Gerade textlich erweisen sich die verdammt kurzweiligen 37 Minuten als eindimensionale Party-Time, während die elf Songs inhaltlich praktisch ohnedies keinerlei individuelle Prägung kennen, gerade in der Zeit nach When We All Fal Asleep, Where Do We Go? stets eine gewisse Austauschbarkeit über Form und Inhalt hier hängt – man kann freilich auch entgegnen, dass Future Nostalgia einfach Popmusik um ihrer selbst Willen ist.
Was selbst dann auch noch stimmt, wenn die punktgenaue Produktion die Substanz des allgemein bleibenden Songwritings doch merklich übertrifft: Das flott angetriebene Physical überzeugt auf der Überholspur zwar ohne Hektik, nimmt dem Song Contest dann aber nur wenig. Zumal die Nummer wie auch das hibbelige (im Kontext als einziger ansatzweiser Füller herhalten müssende) Break My Heart zu lang geraten ist.
Abseits des Erbsenzählens führt aber spätestens der Closer Boys Will Be Boys doch das gewichtigste Manko von Future Nostalgia vor. Wenn sich Dua Lipa orchestral zu einem Catchphrase-Refrain der zwingendsten Sorte vortastet, den wirklich jeder noch vor dem erledigten ersten Durchgang mitsingen kann, macht es sich die Komposition in ihrer Plakativität zu einfach, indem sie nicht die ehrgeizige Ambition zeigt, sich wagemutig zu entwickeln, geschweige denn mit dem genialen Quäntchen in ikonische Gebiete vorzustoßen.
Ein bisschen paradox ist es also irgendwo, dass eine derart aus der Zeit gefallene, ausgerechnet die 80er ästhetisch so direkt als wichtigste Quelle zitierende Platte eine derart im Momentum verankerte Angelegenheit geworden ist. Ob Dua Lipa auf Sicht deswegen ein so interessantes Flair wie etwa Kali Uchis oder natürlich eine ähnliche Konsistenz wie Carly Rae Jepsen entwickeln wird, kann freilich erst ein gewisser Abstand zeigen.
Für den Augenblick zählt aber im Grunde nur, dass die Britin ihr ausgegebenes Ziel, einen modern-nostalgischen Tribut an dezidierte Vorbilder wie „Madonna, Gwen Stefani, Moloko, Blondie and Outkast“ zu kreieren, auf diesen Weg auch ohne Klassiker-Anspruch geradezu spielend erreicht, da ihr Amalgam aus Dance Pop, Synth-Elektronik und Nu Disco über eine gesanglich einwandfreie Performance und ein lupenrein ablieferndes Gespür für Ohrwürmer und Hits (ohne „Über“-Präfix) trotz allem eben nahezu makellos abliefert – das sind das alleine für brillante Bass-Lines, die Future Nostalgia prägen?
Schwer zu sagen also, welche der kleinen Endorphin-Schleudern hier am meisten Glücksgefühle hinausschütteln. Der entwaffnende Chorus des Titeltracks eventuell gleich, oder der trockene Groove von Don’t Start Now, der bis zu seinen Streichern alles ideal nutzt, was Daft Punk einst wieder salonfähig gemacht haben. Cool pflegt als getragener entschleunigte Annäherung an die Ballade eine rauchig aus der Jackson-Schule hicksende Sehnsucht und Levitating ist relaxte Feier-Musik für Strandbars mit kulturelegantem Alkoholismus, aber ohne aufdringliche Säufer oder unangenehmen Kater. Die abgedämpftes Clubnummer Pretty Please funktioniert so lange austauschbar, bis Dua Lipa dem Minimalismus eine Lockerheit und Leichtigkeit einimpft, die den formelhaften Beat vergessen lässt. Hallucinate pumpt dramatisch und das beste an Love Again mag das Sample von Your Woman sein – was klar geht, wenn man es derart gut verpackt, bevor das tolle Good in Bed sich verspielt schunkelnd und leger klimpernd-schnipsend ein wenig aus dem Rahmen fallend eigentlich zur nonchalanten Sommer-Mixtape-Pflichtnummer aufschwingen würde.
Vielleicht ist Future Nostalgia aber eben auch deswegen kein Album für die Ewigkeit, weil die Platte ohne verkomplizierenden Überbau und ohne verfängliche Konsequenz einfach die ideale Platte zur richtigen Zeit kommend ist, wenn sie ihre Vorzüge unkaschiert ausspielend keine unnötig sorgenvollen Gedanken an Morgen verschwendet, mit der motivierten Erinnerung an Gestern aber einen infektiösen Spaß an der Gegenwart zelebriert.
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