DMX – Exodus
Neun Jahre nach Undisputed (und knapp einen Monat nach dem Ableben von DMX) kann man Exodus erstaunlich wohlwollend begegnen, weil es im Gegensatz zu so vielen posthumen Alben kein vollständiges Desaster geworden ist.
Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Das achte Studiowerk von Earl Simmons – und eben das erste nach seinem Tod veröffentlichte – ist zu keinem Zeitpunkt tatsächlich gut oder auch nur überdurchschnittlich gelungen. Es ist qualitativ nur nicht allzu weit von allen anderen seit 2001 veröffentlichten DMX-Platten entfernt, wohl sogar phasenweise darüber zu stellen…was irgendwie auch schon wieder positiver klingt, als es unbedingt gemeint ist.
Denn es überwiegen trotz allen schon die negativen Aspekte auf Exodus, ungeachtet der – angesichts der Veröffentlichungsgeschichte – verklärenden. Allen voran die Beats beispielsweise – hauptsächlich aus der austauschbar produzierten Autopilot-Grabbelkiste von Swizz Beatz stammend – sind etwa ganz grundlegend durch die Bank enttäuschende 08/15-Egalitäten wie das öde Snoozefest Dogs Out, niemals erinnerungswürdig oder merklich inspiriert.
Symptomatisch dafür steht Bath Salts, dessen fast billige Simplizität zumindest als eindimensionale Workout-Monotonie dient, obwohl alleine mit einem Blick auf die Gästeliste ein Spektakel stattfinden hätte können – nein müssen. Nas und der versöhnte Jay-Z liefern zwar beide (während Jadakiss – mal wieder – aus der ursprünglich 2021 für Live is Good gedachten Nummer entfernt wurde), doch ist das Ergebnis neben der limitierten, aber an sich jeder Kritik dynamisch mit Routine enteilenden Performance von DMX einfach so verdammt unspektakulär und ohne wirkliches Reibungspotential nur so durch und durch okay.
Auch sonst ist die an sich eindrucksvolle (und phasenweise mehr Material als DMX selbst stemmende) Feature-Liste des Albums (u.a. Lil Wayne, Alicia Keys, Westside Gunn, Benny the Butcher, Conway the Machine) eher ein teilnahmsloses Schaulaufen ohne Amplituden nach oben oder unter. Gut, der Bono-Besuch in Skyscrapers ist mit seiner komplett banalen Pop-Tendenz einfach nur absurd und unnötig, aber der einzige reine, bemühte und aufdringliche Cashcrab-Moment der soliden Platte.
Dass zudem nahezu alle Hooks von Exodus (egal ob nun beispielsweise in That’s My Dog, der langweilig schimmernden und mit Synthies schiebend R&B-Emotionslosigkeit Hold Me Down, die ohne Theatralik hymnisch wirken soll, oder der wirklich nervig-geschmeidigen Denaun-Brechstange des ansonsten gelungenen Walking in the Rain) bestenfalls auf ignorierbare Weise kompetent, schlimmstenfalls unangenehm ausgefallen sind, passt trotzdem ins Bild.
Man kann also einige Standards (die mit penetrantem Cembalo und kammermusikalischen Samples frischen Wind besorgende Skizze Money Money Money, das mit fernöstlichen Entspannung Potential zeigende Hood Blues, das um seine aus dem Nichts kommende Adlibs aber unverbindlich bleibt, oder dem unaufgeregten Marvin Gaye-Sample von Take Control mit einem passgenauen Snoop Dogg) ohne Denkmal-Schädigung oder -Pflege, ohne gravierende Nachhaltigkeit aber vile Kurzweiligkeit nebenbei goutieren, und sogar das auf die Tränendrüse drückende Ende (Letter to My Son (Call Your Father) ist guten Gewissens kitschig, wenn die Fidel sentimental wird und das Piano klimpert, es keinen Beat in der Traurigkeit rund um den unangenehmen Usher braucht und Prayer ein, ja, Gebet halt – aus der Feder von u.a. Kanye West – ist, das zum Finale noch einmal die Gändehaut erzwingen will) tolerieren.
Doch selbst mit Fanbrille und dem Aufwärtstrend nach all den Rohrkrepierer-Platten in diesem Jahrtausend wird man auf Sicht wohl selten zum niemals essentiellen, niemals katastrophalen, jedoch zumindest ansatzweise würdigen Exodus zurückkehren, um der Legende DMX zuzuhören.
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