Dizzee Rascal – The Fifth
Dylan Mills wurde ja mit jedem seiner Alben zugänglicher und hat dazu nie einen Hehl daraus gemacht, dass seine einzigen Interessen einzig bei Money, Girls, Cash and Cars liegen. Das entschuldigt allerdings nicht, dass der die Alben von Kanye West und Jay Z brav abwartende Dizzee Rascall beim Versuch sich auch die neue Welt untertan zu machen vollends dem Mainstreamgeschmack prostituiert.
Als einen ausführlichen Schwimmausflug im Swimmingpool of Happiness beschreibt Dizzee sein fünftes Studioalbum. Womit er in gewisser Weise nicht so falsch liegen mag, nur: zumindest bis ‚The Fifth‚ in den Charts einschlagen wird – und das wird es, zwangsläufig, denn alleine dafür wurde es konzipiert – bleibt der 28 jährige wahrscheinlich vorerst der einzige, der sich an einem weitestgehend grausamen Machwerk erfreuen dürfte, dass mit aller Gewalt wohl hier und da durchaus als enorm unterhaltsame Zeitgeistsaufarbeitung mit Endorphingarantie missgedeutet werden wird.
Nicht nur für all jene, die den Weg des Londoners aus dem Roll Deep-Underground langjährig verfolgten dürfte der Sachverhalt jedoch anders aussehen: wo das einstige Wunderkind des Grime selbst beim durch die Decke gehenden, gerade durch seine frische Kommerzialität vital agierenden ‚Tongue n‘ Cheek‚ seine Stellung als permanenter Trendsetter unter Beweis stellte und eindrucksvoll vorführte, dass sich Massentauglichkeit, Stilsicherheit und Eigenständigkeit nicht ausschließen müssen, klingt der Rapper 3 Jahre später auf seinem alle Klischees erfüllenden Major-Debüt wie der Hofnarr des schlechtes Geschmacks, der ohne eine Fettnäpfchen auszulassen anbiedernd vorführt, was man an all den austauschbaren und aalglatten Konservenhitparaden dieser Welt abstoßend finden darf, zelebriert einen schikanierenden Ritt aus dem UK heraus zwischen Versatzstücken aus zweckmäßigen Dancefloorfillern, US-R&B von der Stange, brachialem Eurotrash und seichtem Feelgood-Pop.
Beinahe positiv ist dabei, dass sich ‚The Fifth‚ zu keinem Zeitpunkt anfühlt wie ein Dizzee Rascal- Album: der in seinem geschmeidigen Hochgeschwindigkeitsflow höchstens noch makelloser gewordene Rapper wirkt bloß wie ein weiterer Name auf der schier endlos schaurigen Gästeliste seiner eigenen Platte. Seine einzigen annehmbaren Momente geniest ‚The Fifth‚ letztendlich auch ausgerechnet dann, wenn Dizzee ohne störende Geschmacksverstärker im Alleingang agiert – was gerade einmal drei Songs lang auf ‚The Fifth‚ passiert: das souverän hibbelige ‚I Don’t Need a Reason‚ sucht mit einem lüsternen Dizzee in Hochform den Schulterschluss zu M.I.A., ‚Bassline Junkie‚ ist (bezeichnenderweise als Bonus Track) im aufbegehrenden Schlußteil der zündende Partytrack der Platte. Selbst ein ‚Superman‚ als maschineller Dancetrack im Zwiespalt aus pumpenden Beats und Pseudo-Frank Ocean-Soul samt Autotune ginge auf enttäuschende Art und Weise noch als Mittel zum Geldscheffelzweck in Ordnung. Freilich spielen die wenigen lichten Momente unterm Strich letztendlich kaum eine Rolle mehr: das Gesamtbild von ‚The Fifth‚ hängt in Summe bedenklich schief, strahlt allerhöchstens die Faszination eines skurrilen Freakshow aus – auch der Verdienst der hemmungslos agierenden Feature-Reihe, die Dizzee nach Herzenslust Schalten und walten lässt – Money, Girls, Cash und Cars um jeden Preis.
Am annehmbarsten: ‚We Don’t Play Around‚ ist ein Guilty Pleasure-Chartstampfer sondergleichen, der allerdings spätestens dann keinen wirklichen Spaß mehr macht, wenn Jessi J das brutzelnde Stück im Refrain billig und penetrant in den prolligen Club drängt. Oder ‚H-Town‚, ein vergleichsweise bescheiden agierender Hip Hop Track mit Bun B und Trae tha Truth; ‚Life Keeps Moving On‚ lehnt sich souverän in den Yacht-Urlaub-Moodus zurück. ‚Goin‘ Crazy‚ verbindet gediegene Elektronik mit dem unbedeutenden und belanglos frontal-eingängigen Pop für den Robbie Williams seit kurzem wieder gefeiert wird: versöhnlich, weil nicht so katastrophal unterirdisch wie vieles sonst in diesem Fass ohne Boden. Mit ‚Good‚ fabrizieren Dizzee und der gallige Angel noch einen luftigen US-Massenware- Pianohopser mit käsiger E-Gitarre und schmalzigem Geschmachte, der zwar nicht alles falsch verstanden hat was etwa Miguel und Janelle Monàe in der Neo-Soul-Schiene zuletzt so richtig gemacht haben, aber allzu beliebig durch die Gehörgänge spaziert. Danach beginnt die Abwärtsspirale jedoch erst richtig.
‚Spend Some Money‚ hat Tinie Tempah an Bord, dazu „Wooop-Wooop„-Chöre und Vocodergesänge, der dramatisch gemeinte Sportbeat geht in der aufgefahrenen Banalität unter: wie kann man in dreieinhalb Minuten ein Muster derart oft wiederholen, wie kann Dizzee derart verzweifelt daran scheitern mit dem Vorschlaghammer einen Kanye-Track zusammenzukleistern? Noch grausamer ‚Arse Like That‚: hier sollen Brüste wackeln und Hüften shacken, bis hierzu mit „Ouch„-Klaps auf den Hintern der Tanznachbarin in der Disco getanzt werden wird ist es wohl leider nur eine Frage der Zeit. Am erstaunlichsten: der hochnotpeinliche Sean Kingston-Part verblasst regelrecht gegen den fassungslos hinterlassenden und dreist geklauten Psy-Chorus.
Eben bei dem südkoreanischen Szenetiger schaut auch Will.i.am für ‚Something Really Bad‚ ab, langt dafür gut gelaunt in die Hitparaden-Kloake und beschämt neben dem Rotztext über freche Girls mit der bouncenden Aufforderung: „Get freaky!“ – war der Track gar seinen Black Eyed Peas zu grenzwertig? Egal: dem ultimativen Fremdschöm-Trio der Plate wuchtet Dizzee in weiterer Folge noch krude Mischungen aus Malle-Urlaubsoundtrack und Dubstep-Zeitgeistbedienung, (‚Love This Town‚) oder Brechstangen-Pop mit sülzigem ‚Heart of a Warrior‚-Texten die sogar Katy Perry zu plakativ gewesen wären hinterher – zum besseren gereicht es dennoch nur in Relation.
Freilich darf sich ‚The Fifth‚ am Ende auf die Fahnen heften ein im Kontext des bisherigen Schaffens Dizzee Rascalls ein geradezu ungeniert mutig bereitwillig die Beine breit machendes Album geworden zu sein, eines, das wohl genauso klingt, wie es sich sein Schöpfer gewünscht hat und seinen Zweck erfüllen wird. Nach dem Motto „Operation gelungen, Patient tot“ scheitert Dizzee jedoch als Künstler an den ausgegebenen Ambitionen, vermag es nicht radiotauglicher und clubaffiner Popmusik ein gehaltvolles und stilvolles Gesicht zu verpassen. Schlimmer noch: uninspirierter und bedeutungsloser klang Mills alleine deswegen nie, weil er auf der Compilation ‚The Fifth‚ seine Musik erstmals alleine als Ausdruck seiner Erfolgssucht missbraucht und vom visionären Vorreiter zum Trends hinterherhechelnden, austauschbar agierenden Schaf geworden ist.
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