Dirty Projectors – Swing Lo Magellan
In Paralelluniversen tragen nicht nur antike Schwerter Namen, wie der Dirty Projectors Mastermind einen hinter dem Dave stehen hat, dort bespielt seine Band auch im Alleingang die Top Ten der Rockcharts – oder so.
Im Hier und Jetzt hat Dave Longstreth jedenfalls der Versuchung widerstanden, dem allerorts abgefeierten, der Band den endgültigen Durchbruch bescherenden ‚Bitte Orca‚ einen verspäteten Zwilling auf den Leib zu schreiben. ‚Swing Lo Magellan‚ orientiert sich nach der sympathischen Walfamilienstudie ‚Mount Wittenberg Orca‚ mit Björk stattdessen lose an der knackigen Kompaktheit von ‚Rise Above‚, dem so exzentrischen Poptribut an den Hardcore, rückt Longstreth als Chef in den Mittelpunkt von Kompositionen, die sich in kürzerer Zeit austoben, als die hymnischen, Weltmusik-verliebten ‚Bitte Orca‚-Kollegen. Dabei haben die Dirty Projectors aber auch den Grad der umständlichen Eingängigkeit deutlich nach oben korrigiert, stellenweise mutet ‚Swing Lo Magellan‚ deswegen wie das kauzige, vielleicht sogar ultimative Popalbum der unverkennbar klingenen Band an. Dass sich die zwölf neuen Nummern trotzdem nicht so leicht aus der Erinnerung nachspielen lassen würden, wie Longstreth das einst eben mit dem Black Flag-Klassiker getan hat, muss man wohl nicht noch extra erwähnen.
Weil Longstreth wieder Songs geschrieben hat, die es in all ihren Perspektiven und Möglichkeiten zwischen den Stilen förmlich zu zerreißen droht: der Titelsond fährt im spärlichen Gewandt eine anschmiegsame 60ties Folkschiene, während ‚Maybe That Was It‘ als taufrisches Psychedelik-Antiquariat mit manierlichem Rockgestus in eine ganz andere Richtung torkelt. Meistens wollen die Nummern dann nicht einmal in ihren eigenen Grenzen stillhalten, da zappelt ‚Offspring Are Blank‚ über unterkühlt gedämpfte R&B-Beats zu heulenden Rockgitarren und wieder zurück, der große Hit der Platte, ‚Gun Has No Trigger‚ hat sogar nicht nur weit ausholende Chöre im Hintergrund, treibende Afrobeats und einen Refrain zum Weltumarmen, sondern auch einen Longstreth, der den neugierigen Melodieverlauf als hyperventilierender Bono herauspresst. Daneben fängt ‚Swing Lo Magelan‚ Impressionen aus sanften Jazzbasstönen ein, auch engelsgleiche Harmoniegesänge, Streicher und Keyboardspielereien, kernigen Indierockpassagen und souligen Momenten der Einkehr, die Gitarren zicken neben den polyrhythmischen Rhytmusarbeiten und braten doch auch mal gerne mehr als üblich. Die zutraulichen Irgendwie-wirklich-Hits wechseln sich dabei mit schrägen Ohrwurmannäherungen ab, ein raggaebeschwingtes ‚Dance For You‚ prallt butterweich in das Freejazzexperiment ‚Maybe That Was It‘, dessen Gitarrenspiel mehr von einer Stimmungsübung im Nebenstudio von Radiohead hat, als Zugabe gibt’s die berührende Piano/Schlagzeugballade ‚Impregnable Question‚.
„I need you/and you’re always on my mind/You are my love/and I want you in my life“ singt Longstreth da völlig unangestrengt und sorgt damit für einen der wenigen wirklich unmissverständlichen Momente auf ‚Swing Lo Magelan‚, aber nur für einen von vielen der brührenden hier, weil von der Artrock Band plötzlich nur noch im Kontext die Rede sein kann. So wirkt ‚Swing Low Magelan‚ nicht nur wie die kontinuierlich mit jedem Album stattfindende neu zündende Entwicklungsstufe für die Dirty Projectors, sondern wie ein Umbruchalbum – auch abseits der Tatsache, dass Goldkehlchen Angel Deradoorian der Band den Rücken gekehrt hat und Amber Coffman nur das ‚Kid A‚ affine ‚The Socialites‚ als zauberhafte Sirene am Frontmikro leiten darf, während sie wie der Großteil des üblichen Brimborium auf ‚Swing Lo Magellan‚ in den Hintergrund tritt, um das Spotlight Longstreth und seinen hinter den kryptischen Texten doch bisher persönlichsten Songs zu überlassen, die im gezügelsten und fokusiertesten Dirty Projectors Album münden. „In my heart, there is music/In my mind is a song“ gibt Longstreth am Ende Einblick in sein Wesen – und plötzlich erscheint alles sehr einfach, für diese kompliziert ausgedachte Dutzend an Prachtexemplaren.
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