Dirty Beaches – Neon Gods of Lost Youth
Während das Triumphjahr 2013 für Dirty Beaches immer noch nachhallt findet Alex Zhang Hungtai Zeit um weitestgehend unbekanntes Material aus den Jahren 2006 bis 2012 ans Tageslicht zu holen.
Dabei präsentiert sich Weltbürger Hungtai ein weiteres Mal als Meister der beklemmenden Atmosphäre: ‚Neon Gods of Lost Youth‚ (was für ein Titel!) bündelt fünf Soundstudien anhand klaustrophobischer Ambientarbeiten, die in kalter und scharfkantiger Eindringlichkeit Stimmungen entfalten, die in etwas jenes Gefühl widerspiegeln müssen, dass einen befällt, wenn man in einer nebelverhangenen Nacht in Zeitlupe tranceartig auf eine leere Fabrikshalle zusteuert, von der man weiß, dass darin nichts als menschliche Abgründe warten. Oder so.
‚Drifting‚ schnepft also abgedämpfte Saiten auf stoisch Weise vor sich her, gaukelt mit avantgardistischer Minal-Klangmalerei repetitive Anschlagrhythmik als bedrohliche Melodieansätze vor, während die Interlude- Soundcollage ‚Ride To No Where‚ seinen Titel als schlauen Witz stehen lässt und lieber verstörende Ahnungen von Rockgitarren sich duellierend zu Grabe tragen versucht. Das Live-erprobte ‚Neon Gods & Funeral Strippers‚ breitet über ein hypnotisierendes Loop in Endlosschleife einen neonfarben glitzernden Streuner von einer Gitarre aus und evoziert dabei eine beinahe krautige Trippigkeit über 10 Minuten.
Der heimgesuchte ‚Xinhai Tunnel‚ kommt danach einem 90 sekündigen Mitternachtdelirium im Noir-Dschungel einer einsamen Großstadt gleich, ‚廟街‘ ( im Verbund mit The Offset: Spectacles) ist als einziger nicht ausnahmslos instrumentaler Song am ehesten die Annäherung an ein handfestes Rockmoment, lebt von seiner puslierenden und rostig-metallenen Gitarrenarbeit sowie dem zwischen angsteinflößender Rezitation und aggressiv hinausgestoßenen Rockabilly-Halleffekten brechenden Intonation.
Dass man es hier ausnahmlos mit B-Seiten zu tun hat die es nicht auf Alben wie ‚Badlands‚ oder ‚Night City‚ geschafft haben (‚Neon Gods & Funeral Strippers‚ und ‚廟街‘ kennt man jedoch bereits vom ‚Russian Tour Tape‚ sowie der ‚Statement‚-Split-LP, was dem Schaffen Hungtais jedoch nicht Beliebigkeit andichtet, sondern eine ungebundene Allgemeingültigkeit zuschreibt) tut der Qualität zu keinem Zeitpunkt einen Abbruch – im Gegenteil: ‚Neon Gods of Lost Youth‚ ist eine durch und durch stimmige Reise vor dem geistigen Auge nach Taiwan sowie „childhood memories, folklores (about the haunted Xinhai tunnel) and fictional characters in „廟街“ that were a tribute to teenage delinquents in 80’s/90’s Taiwan/Hong Kong blockbuster gangster films„. Die sich entfaltende Aura lässt das Kopfkino vor allem in Verbindung mit dem Artwork schwelgen ohne Ende. Eine zutiefst ästhetische Compilation also, deren größtes Manko wahrscheinlich die zu kompakte Spielzeit darstellt.
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