Dinosaur Jr. – Sweep It Into Space

von am 27. April 2021 in Album

Dinosaur Jr. – Sweep It Into Space

Selbst nach einem frühen Leak lag Sweep It Into Space trotz eines bereits Pandemie-bedingten Release-Aufschubes weiterhin monatelang in der Pipeline. Macht nichts: Alben von Dinosaur Jr. heben schließlich kein Ablaufdatum, richten sich nur nach ihrer eigenen Mode und kommen immer irgendwie genau richtig.

Deswegen fällt es auch keineswegs aus dem Rahmen, dass das zwölfte Album der Band sich seinen Schriftzug aus jener Phase der 90er borgt, als die Zweckgemeinschaft mit Lou Barlow sowie Murph zerbrochen war und Dinosaur Jr. ein alleiniges Vehikel für J Mascis waren, während der Sound der Platte unter der Co-Produktion von Kurt Vile gleich noch ein kleines bisschen weiter zurück Richtung Beinahe-LoFi schielt, zumindest aber einen reduzierteren Klang, weniger fetzige Drums und schneller auf den Punkt findende Songs zeigt als zuletzt.
Gerade letzteres tut nach dem rückblickend doch eher verhaltenen Vorgänger Give a Glimpse of What Yer Not gut: Vor allem in seiner ersten Hälfte tritt Sweep It Into Space im direkten Vergleich wieder pointierter und beschwingter auf, zeigt auf ungezwungene Weise einen besonders lockerer im Umgang mit bereitwillig empfangenen und ausgegebenen Melodien – gleich im flotten Standard I Ain’t gibt es zudem kleine Details wie eine unscheinbare harmonische Vocal-Kadenz am Ende des Refrains. Dazu färben Dinosaur Jr. ihre rundum typischen Signature-Nummern immer wieder dezent die Auslage wechselnd ein, geben sich frisch und gut gelaunt, ohne ihre Trademarks auch nur ansatzweise neu zu erfinden.

I Met the Stones flirtet etwa mit Hardrock, das lockere I Ran Away verleibt sich luftige Nuancen aus Americana- und Classic-Tendenzen ein (und funktioniert wie alles hier am Stück besser, denn auf sich alleine gestellt), wohingegen And Me noch weiter zu The Cure schrammelt und 9 liebenswürdig als liebenswürdige Popnummer minimalistisch am Keyboard klimpert, bevor die vogelfreien, aber dann diesmal generell songdienlicher angelegten Solo-Exzesse durch den Hintergrund flanieren.
Die obligatorische Barlow-Nummer zur Mitte heißt diesmal Garden und zeigt weich verträumt einen behutsam wattierten Folk-Drive, was den catchy Malen-nach-Zahlen-Ohrwurm Hide Another Round im direkten Anschluss noch gelöster rockend erscheinen lässt. Selbst wenn ein To Be Waiting wie eine etwas träger und lethargischer daherkommende Routineübung auftritt, passt das, wenn Mascic seine patentiert tröstende Melancholie dahernölt: „Thеre’s a spot for you/ Will you wait for me?

Ein bisschen klingt Sweep It Into Space auch durch Textzeilen wie „I ain’t good alone“ und symptomatischen Befindlichkeitsreflektionen wie „I got excited, I got depressed/ The situation and then the rest“ also über weite Strecken so versöhnlichen, wie sich die ehemaligen Streithähne des Bandgefüges mittlerweile auch mal in Interviews geben, während sie sich mit dem eigentlich Social Distancing-bedingten Abstand zueinander auf den Bandfotos wohlzufühlen scheinen: zugänglich und überraschungsarm, risikoscheu und kompetent, nicht begeistern und absolut zufriedenstellend zuverlässig – meistens alles im besten Sinne.
Hinten raus drücken dann zwar vielleicht ein paar zu generisch in der Austauschbarkeit dümpelnden Momente den kurzweiligen Reigen – I Expect It Always ist etwa die kaum inspirierte Variation einer Nummer, die Mascis schon oft geschrieben hat und durchaus akzeptablerweise wohl noch oft schreiben wird, bevor das zu lange N Say austauschbar bleibt und das unspektakuläre, unverbindlich zarte Barlow-Stück You Wonder den etwas enttäuschenden Closer macht – ohne jedoch die kurzweilige Freude an diesem Album zu beeinträchtigen. Insofern wird Sweep It Into Space keine Go-To-Platte innerhalb der Diskografie darstellen, aber eine willkommene Fortsetzung; die Fanboy-Aufwertung zwischen den Punkten liegend an dieser Stelle mehr noch rechtfertigbar sein, als bei den beiden Vorgängern; und vor allem wieder mühelos unterstreichen, dass die nach Farm stetig abnehmende Euphoriekurve keineswegs die Formel beschädigt, dass Dinosaur Jr. einfach keine schlechten Alben aufnehmen.

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