Die Türen [13.10.2012 Camp:Wohnzimmer, Graz]

von am 13. Oktober 2012 in Featured, Reviews

Die Türen [13.10.2012 Camp:Wohnzimmer, Graz]

Die mittlerweile guten Gewissens als Allstar-Band durchgehende Berliner Kombo Die Türen erweist dem Steirischen Herbst die Ehre. Wirklich viele Besucher interessiert dass dann aber erstaunlicherweise offenbar nicht.

Da sind schon wieder viele Richtung Bar unterwegs. Die meisten sind aber noch nicht einmal von dort herüber gekommen.“ sucht Staatsakt-Chef und Die Türen Sänger Maurice Summen spöttisch den Angriff im charmanten Zynismus, als seine Band vor keinen 30 Zusehern auf die Bühne klettert. Vielleicht liegt es aber ja einzig an der Uhrzeit: 22.30 Uhr ist an sich schon ein relativ spät angesetzter Konzertbeginn – wenn sich das zusätzlich noch um eine halbe Stunde verzögert (hat sich die Band tatsächlich in der Innenstadt verlaufen?), kann das die Zuschauermotivation wohl zusätzlich senken. Im weiteren Verlauf des vormitternächtlichen Abends füllt sich der der zum Konzertraum umfunktionierte Zweitraum der im Festivalcamp zentrierten ‚Lilas Bar‚ zwar noch und irgendwann verschwindet auf gutes Zureden gar der Sicherheitsabstand der ersten Reihe zur Bühne, dennoch überrascht der relativ geringe Publikumsandrang auch im Nachhinein. Vor allem, wenn man bedenkt, dass da doch auch (ehemalige) Mitglieder von Blumfeld oder Driver & Driver auf der Bühne stehen, der mittlerweile zur Band gestoßene Ja,Panik-Vorstand Andreas Spechtl als Gitarrist zudem gewissermaßen auf Heimatlandurlaub ist.

Der entert die Bühne dann auch wie seine Bandkollegen mit genügend Alkohol als Proviant, immer wieder werden Getränke versehentlich auf der mikroskopischen Bühne umgetreten und dennoch: Die Türen machen von der ersten Minute an nonchalant das beste aus den Gegebenheiten, Summen inszeniert mit der spärlichen Menge gleich vorab einen Protestmarsch zum leeren Ende des der Bühne entgegengesetzten Eingangsbereichs, bevor sich die Band sofort Hals über Kopf in den ausufernden Opener der aktuellen, behelfsmäßig mit ‚ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ‚ betitelten Platte, und wirklich funktioniert ‚Rentner und Studenten‚ fantastisch im Livegeweand: Die Türen loten diesen über seine regulären elf Minuten noch weiter als energetische Session aus – und begehen damit auch bereits den Höhepunkt des Konzerts in Sachen Dringlichkeit und Publikumsinteraktion vorweg nehmen.

Am besten sind Die Türen auf der Bühne nämlich immer dann, wenn sie sich dem ekstatischen Drang ergeben, im ausgebreiteten Jamambiente aufzugehen, sich mit der Vision, als neuzeitliche Ton Steine Scherben herzuhalten, in ausgedehnte Improvisationsparts zu ergehen. Das gelingt ihnen in dieser einleitenden Fulminanz noch ein weiteres mal, nämlich am anderen Ende der Setlist, welches das dadaistische ‚Eier‚ ohne Blick auf die Uhr auswalzt. Darüber, dass es in dieser fein gesponnen Umrahmung der dazwischen liegenden Songs keine Zugabe gebraucht hätte, ließe sich wohl streiten, zumal einige wenige das Konzert als störende Hintergrundbeschallung für Freitag-Abend-Gespräche zu verstehen scheinen, während ausgerechnet im hinteren Bereich des Raumes ohne Einsatz der Ellenbogen fröhlich getanzt wird.

Nur verständlich, lädt Chris Imler, als heimlicher Hauptakteur – und exzentrisch grinsender Salvador Dali-Look-Alike mit Schalk im Nacken – hinter dem kraftvoll treibenden Schlagzeug doch zur Ausgelassenheit ein: live werden die Songs von Die Türen sets wuchtig von mitteißenden Beats angetrieben, die High-Hat hechtet immerzu, der permanent arbeitende Groove der Rhythmusabteilung steht klar im Zentrum, dirigiert die zackigen Post-Punk-Arbeiten vom stoisch als schlacksigen Monolith aufragenden Spechtl über Texte, die freilich Auslegungs- wie vor allem Geschmackssache sind. Dazwischen gibt Summen den sympathischen Entertainer: ‚Dieses Lied‚ wird dem vor wenigen tagen verstorbenen Nils Koppruch gewidmet, ‚Don’t google Yourself‚ eifrig mitgeklatscht und von der stramm eingespielten Band beim überraschend guten Soundgewand höflich gefeiert. Dass bei dem mit ‚Über den Tellerwäscherrand zum Millionär‚ zurückgenommen begonnen Zugabenpacket schon ein wenig die Luft herausen ist, liegt nicht an den sich ins Zeug legenden Türen – die im Livegewand den souveränen Berliner- Indierock mit ordentlich Dynamik und Druck deutlich spannender gestaltet, als man ihre Platten finden muss – als an der gedämpften Euphorie des Publikums, welches weniger aus Fans, denn aus Interessierten zu bestehen scheint. Es war aber ja auch wirklich schon spät.

 

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