Die Ärzte [08.09.2022 Messe Freigelände, Graz]
Ziemlich genau zehn Jahre nach dem letzten Graz-Gastspiel der besten Band der Welt aus Berlin machen die Ärzte Belafarinrod im Rahmen ihrer Buffalo Bill in Rom-Tour endlich wieder Halt an der Mur.
Über dem Freigelände der Messe (und ohne den vor einer Dekade allseits verhassten Wavebreaker) ziehen kurz vor 19.45 Uhr zwar Wolken und Wind auf, doch der Bühnen-Vorhang fällt mit (dem zu diesem Zeitpunkt wahlweise verschmitzt zynisch oder zweckoptimistisch gewählt scheinenden) Himmelblau, das als gutes Omen fungiert: das Wetter wird bis zum Ende des rund 40 Songs umfassenden Sets halten – und währenddessen nicht nur dem die Location beinahe füllenden Publikum ordentlich Spaß machen: auch die Band selbst scheint über das fast 3 stündige Gelage verdammt gut unterhalten gewesen zu sein.
Denn nach blanken Busen, mit Drumsticks massierten männlichen Brustwarzen, „Wall of Death“-Freuden und Geburtstagsständchen für zwei Crew-Mitglieder, einem bengalischen Feuer in der Menge (bei dem die Band merklich unsicher zu sein scheint, ob die Show kurz unterbrochen werden sollte), von Bela gelieferten Zwischenergebnissen des parallel laufenden Sturm-Spiels und Graz-Epiphanien (Jazz-Graffitis sind gut, Bongospieler und Nazis aber das schlimmste überhaupt…wahrscheinlich mit Ausnahme von bongospielenden Nazis) gibt es als Closer des Abend ausnahmsweise eine (auszugsweise) Acapella-Version von Westerland, was auf dieser Tour durchaus einen Unikat-Wert vermittelt: Nicht einmal auf der (als ein subversiv-demonstratives Breitseiten-Statement zur aktuellen, leidigen Boulevard-Diskussion um Elke zu verstehenden) „80er-Show“ in Berlin unlängst war der Klassiker Teil des Programms. An diesem Abend in Graz gewährt man ihn auf Publikumswunsch allerdings anstatt des üblichen Gute Nacht.
Was sticht sonst noch hervor, an diesem weitestgehend kurzweiligen Abend an generationsüberspannend ansprechendem Unterhaltungsprogramm?
Etwa, dass das solide Hell mit (der „Sandler“-Animationsgeste samt potentiellem Setlist-Dauerbrenner-Anspruch) Ich, am Strand und Morgens Pauken auf seine essentiellen Highlights destilliert wurde, während das weniger solide Dunkel öfter vertreten ist – und mit Songs wie Doof für einige der wenigen Durchhänger einer ansonsten vielseitigen, wenige Wünsche offen lassenden Setlist sorgt (die subjektiv vielleicht auch noch den einen oder anderen Jazz ist anders-Song eintauschen hätte können).
Es gibt aus gegebenen Anlass eine rotzig gemeinte, schief hinausgepresste God Save the Queen-Version von Rod, der mit seinem Scooter die Bühnenseite wechselnd einen auf Helge Schneider macht, abseits davon an diesem Abend gesanglich auch erstaunlich viel zu tun hat. Junge macht später gleich mehrere Pits nebeneinander auf und das Publikum darf sich vor allem im überraschend kommenden Instrumental Geschwisterliebe textlicher zeigen, derweil Bela die Showman-Attitüde gerade in Manchmal haben Frauen… genüsslich auskostet und Farin Unrockbar nach „experimentellem“ Einstieg zum Massensprungtest dirigiert.
Überhaupt gehen all die unkaputtbare Ärzte-Hits und Klassiker wie Meine Freunde, Schunder-Song, Ein Lied für Dich, 1/2 Lovesong, Friedenspanzer, Wie es geht, Mach die Augen zu, Schrei nach Liebe oder das Zitroneneis und Roter Minirock einfangende Zu Spät sowieso einmal mehr und immer wieder, weil die Ärzte eben den genialen Kniff beherrschen, jede unbeschwerte Show so wirken zu lassen, als hätte das Trio gerade den besten Abend seines Lebens – und der Funke springt jedes Mal ansatzlos über. Insofern: gerne wieder – und das bitte nicht erst in zehn Jahren!
Setlist:
Himmelblau
Noise
Wir sind die Besten
Meine Freunde
Blumen
Lasse redn
Fiasko
Angeber
Ist das noch Punkrock?
Doof
Heulerei
Hurra
Besserwisserboy
Schunder-Song
Ein Lied für Dich
Ich, am Strand
God Save the Queen
1/2 Lovesong
Morgens Pauken
Friedenspanzer
Manchmal haben Frauen …
Wissen
Deine Schuld
Lied vom Scheitern
UnrockbarEncore:
Dinge von denen
Ignorama
Geschwisterliebe
Wie es gehtEncore 2:
Mach die Augen zu
Dunkel
Schrei nach Liebe
Junge
Zu spät
Zitroneneis
Roter Minirock
Dauerwelle vs. Minipli
Westerland
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