Devil’s Witches – In All Her Forms
Nach einer Handvoll weitestgehend ziemlich idealer Non-Album-Singles hat James Abilene den Nachfolger des Devil‘s Witches-Debütalbums Velvet Magic aufgenommen: In All Her Forms versucht sich eklektisch referenzierend in einen eigenständiger aufgefächerten Nische zu strecken.
Seine insgesamt zwölf Songs auf vier Segmente – Maiden, Mistress, Mother und Matriarch – aufteilend ist In All Her Forms in kompositorischer Hinsicht im Grunde auf drei Säulen erbaut.
Die kleinste davon ist jene der instrumentalen Zwischenspiele für den stimmungsvollen Fluß einer Platte, die betont die gewachsene Bandbreite und auch die konzeptuelle Ambition von Devil‘s Witches seit 2017 unterstreicht. Ein Mehr an Lagen und Texturen erzeugt eine reichhaltigere Stimmung, das kunstvolle Artwork spiegelt dieses wider. L’image, klingt wie eine psychedelische Erinnerung an Seven Words der Deftones , und Shadows in the Mirror dröhnt mit geschlossenen Augen in einem luftigen Meer der Schwere, die epische Tragweite der Lead-Melodie lässt sich dabei aber leider höchstens erahnen, einnehmend mäandernd.
Auch das sinister im Zwielicht groovende Pussycat in a Woman’s Skin sowie das in Gewittertropfen sinnierende Pianostück Tides Upon Jupiter vertiefen die im Fuzz mit halluzinogenen Überblendungen betörende Ästhetik der Platte, öffnen gleichzeitig aber auch den Raum hinter den (irritierenden Vietnam-Fetisch sowie den) Vintage-pornofixierten Stonerrock-Welten. Aber gut – um ihn auf diese überschaubaren Vorliebe(n) alleine zu reduzieren, war Abilene, der hier wieder für alle Bereiche im Alleingang verantwortlich zeichnet, eh immer schon zu geschmackvoll und kultiviert unterwegs. Auch wenn die lyrische Ebene der Platte überschaubar tiefgründig bleiben wird.
Dann sind da, wie um diesen Fakt zu unterstreichen, zum zweiten jene Songs, die ihr Kaleidoskop mit der Eleganz des trippigen Pop betreiben – also in jenem Sinne, der sie in eine Reihe mit Stücken wie Cross My Path, I’ll Cross Your Face oder Come Play With Me setzt. Das lebendig gezupfte Blood of the Witch lässt seine Akustikgitarren in eine nonchalant schwofende Jazz-Lounge der 60s gleiten, die über ein simpel bimmelndes Motiv mit betörend ungeschminkter Stimme dorthin kippt, wo Ryley Walker seinen Chicago-Folk als Easy Listening-Session im Fahrstuhl verstehen würde, nur um den Refrain zu einem friedlich schwelgenden Ohrwurm zu wiegenden, der angenehmer kaum sein könnte.
In Hunting Dracul dösen Stimme und Saiten ätherisch verträumt so ruhig entschleunigt, umgarnen mit pastoraler Introspektive eine nachdenkliche Melancholie, die sich lieber bescheiden bleibend im Regen auflöst, als die Hymnik wirklich greifbar zu machen. Und Smoke & Sorcery ist ein reduzierter Space Cadet im Western der 70s, nonchalant und locker, aber einfach enorm eingängig. Diese Schokoladenseite steht Devil‘s Witches gefühlt einfach am besten, zumal die Produktion mood-konzentriert derartig weiche Facetten ideal ausleuchtet.
Den Großteil der Platte verbringt In All Her Forms dennoch in (theoretisch kaum weniger gelungenen) Gefilden, die Abilene weit in einer eigenwilligen Version des Doom zeigen, dabei aber (praktisch) auch mit ein paar Schönheitsfehlern zu ringen haben – eine Kritik, die übrigens primär auf die Inszenierung bezogen und kaum das tolle Songwriting betreffend zu verstehen ist.
Successive Slidings of Pleasure ist beispielsweise eine düstere Majestät mit wahrnehmungsveränderter Note, die als geschmeidiger Hybrid aus Electric Wizard und Kyuss in einen nebulösen Retro-Tagtraum eintaucht. Der Gesang legt hier aber szenetypisch effektverschwommen dösend eine apathische verführende Lethargie an den Tag, bevor das Drama in Zeitlupe einem Piano-Outro folgt. Space Age Sorceress walzt als absoluter Instant-Ohrwurm, der irgendwann die Handbremse löst und lehnt sich am relaxten Gaspedal zurücklehnt, in den vergangenheitsliebenden Jam solierend.
Mit grandiosen Riffs sind diese Nummer eine smoothe Symbiose aus Heaviness und Melodie, drückend und massiv – deren archaische Kraft jedoch durch die schmeichelnde Eleganz gefühlt weniger prominent zelebriert wird, als diese es verdient hätte – oder es brauchen würde, um die PS effektiver auf den Boden zu bekommen. Der stets etwas tröge an den guten Manieren des Genres verfremdete, wenig intensiv in die Kurven gelegte Gesang nimmt (in dieser Ausrichtung im Gegensatz zu den passgenau produzierten, weil so geschmeidig die Ausstrahlung umarmenden poppigen Songs) eine (zu) dominantere Rolle im Mix ein, während die Gitarren auf der stark groovenden Grundierung subjektiv fast zu dumpf in den Hintergrund geschoben wirken, einfach nicht das knackige Profil haben, das man sich (auch an den Sound von Velvet Magic denkend; oder aber aufgrund der bei gefühlt jedem zweiten Riff geweckten Assoziation an eine meist „härter“ auftretende Inspirationsquelle) wünschen würde.
Magic Mama taucht von Shadows in the Mirror ausgehend an, schraubt den Hit-Appeal fantastisch nach oben und ist eine romantische Single-Walze der Extraklasse, deren superfeine Backing-Harmonien kaum aus der Masse treten. Entscheidungen wie diese hin zur dezenten Subtilität kann man faszinierend finden, weil viele Elemente an der Peripherie der Greifbarkeit stattfinden und sich fast imaginativ vorbeischleichen – oder aber eben auch als das latent frustrierend inkonsequente Liegenlassen von Potential einstufen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen – und ist im konkreten Fall auch irgendwie ohnedies sekundär, wenn die Nummer hinten raus den entwaffnenden Handclap-Singalong macht.
Während die Kritikpunkte an mancher erscheinungstechnischen Entscheidung mit jedem Durchgang zumindest über zwei Drittel der Spielzeit vom immens kurzweiligen Unterhaltungswert sowie dem seine Gewichtungen variierenden Kontext des zu drei Viertel toll fließenden Albums aufgewogen werden, behält nach zahlreichen Durchgängen eigentlich nur das Finale von In All Her Forms einen tatsächlich weniger überzeugenden Beigeschmack.
Queen of Wands bedient sich als Grundlage für eine exemplarisch simpel zum Hardrock schielenden Zeitkapsel am letzten Soundgarden-Album, die trotz gedrosseltem Tempo etwas punkverschwitztes an sich hat, als starker Standard zwischen zwei Ruhepolen aber deplatziert wirkt: Queen of Wands hätte mit Tides Upon Jupiter oder besser noch Smoke & Sorcery für ein homogeneres Momentum die Plätze in der Trackliste tauschen müssen – so wäre das letzte Teilstück der Platte weniger zerfahren dahergekommen. Eine restlos überwältigende finale Geste hätte allerdings auch so gefehlt, denn Hymn for the Supervixen setzt zwar alles daran, eine, tja, Hymne zu sein, doch kann sie ihre durchaus vorhandene monolithische Gravitation nur im Ansatz aufbauen: Der Chorus entfesselt in der zu hüftsteifen Performance keine euphorisierende Extase oder mitreißende Leidenschaft, dem Abgang hätte eine räudige portion Dreck für die plättende Intensität gut getan – wie Abilene vielleicht ganz allgemein ein konfliktbereiter Reibungspunkt als Kreativ-Partner, um aus diesem immer (mindestens!) sehr guten ein ausgezeichnetes Zweitwerk machen zu können.
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