Denzel Curry – Melt My Eyez See Your Future
„Es ist mein bestes Album, Punkt.“ sagt Denzel Curry über sein Viertwerk Melt My Eyez See Your Future, auf dem er entspannter, aber nicht weniger intensiv zu Werke geht, als bisher – und damit zu sich selbst findet.
Melt My Eyez See Your Future ist merklich ruhiger als seine Vorgänger, lenkt die Aggressivität des niemals entwicklungsresistenten Curry nach dem eher enttäuschenden Vorgänger Zuu in subversivere Bahnen, veraschiedet sich von Alternativ-Persönlichkeiten der Vergangenheit und legt sein eigenes Seelenleben offen: „I’m not trying to be Zeltron. I’m not trying to be Aquarius Killa. I’m not trying to be Raven Miyagi. I’m not trying to be any of those personalities or any of those people. I’m Denzel. I’m a human being. I have feelings.“
Das eigentliche Spektakel ist aber die Vielseitigkeit, mit der sich der 27 jährige dadurch auf einer wie aus einem Guss wirkenden, wunderbar ausbalancierten und exzellent produzierten Platte in präsentiert – obwohl das 45 minütige Kaleidoskop zudem mit einer starken Gästeliste besticht: Denzel und seine Produzenten bieten den Features markant entgegenkommende Nährboden, die Curry wiederum mit seiner Variabilität als Katalysator nutzt, um seine eigene Performance als Kontrast zu deren Präsenz auszulegen. Nicht immer derart radikal, wie es die vom pumpenden Ethereal Wave in den Drum and Bass-Exzess aufplatzende Vorabsingle Zatoichi mit Slowtai vorgemacht hat – aber immer ähnlich selbstaufopfernd, immer ähnlich cinematographisch.
Melt Session #1 klimpert unter der Ägide von Robert Glasper, was ätherische Gesänge als Hintergrund ins Lounge-Flair einlädt. Das Schlagzeug folgt zwischen Jazz und Rock der Kontemplation, kaschiert aber nicht die Dringlichkeit, die Denzel vor der verträumten Atmosphäre an den Tag legt. In John Wayne erzeugt JPEGMafia für Curry und Buzzy Lee wie unter Hypnose einen sinister-dichten Mahlstrom-Groove, wohingegen Mental (mit Saul Williams und Bridget Perez) geschmeidiger den Soul sucht. Die Chipmunk-Variante Ain’t No Way rasselt dagegen mit 6lack, Rico Nasty, JID und Jasiah sowie satter Grundierung in den Club, als wäre es eine Kanye-Zeitkapsel sein – Troubles (featuring T-Pain) könnte dagegen in einer anderen Welt auch von Bilderbuch stammen, Denzel rauht den relaxt-tanzbaren Neon-Bouncer im Schulterschluss mit Kenny Beats aber markant auf, derweil Sanjuro wummert und klackernd den düsteren Dancefloor von 454 betritt.
Das Melt My Eyez See Your Future unter diesen kurzweiligen Gegebenheiten außerdem/ trotzdem das qualitativ konstantest ausgewogene Niveau aller bisherigen Platten des Amerikaners hat, spricht außerdem dafür, dass Imperial und TA1300 nun wirklich einen Dreikampf um die Diskografie-Krone mit diesem proklamierten Neuanfang austragen müssen: Denzel als Konstante zeigt ein abgeklärtes Gewicht, längst in seiner eigenen Liga agierend.
Wo Walkin die Gesänge des Openers übernimmt und die Vögel entspannt zwitschern lässt, marschiert der Beat mit stoischer Leichtigkeit samt Auslagewechsel zur Mitte als neuer Trademark-Track. Worst Comes to Worst rollt mit Oldschool-Vibe funkelnd zum Ohrwurm und The Last macht keinen Unterschied zwischen zappelndem Jungle oder Reggae – so lange alles durch eine sedativ-poppige Hook verbunden wird.
X-Wing ist eher kontemplativ perlender Trap (mit bittersüß asiatischen Streichern), in Angelz trägt der stoisch groovenden Rhythmus durch die gefühlvoll klimpernde Lounge hinter dem ätherischen Dream-Pop-Schleier, wohingegen die Thundercat-Skizze The Smell of Death vage an einen leicht neben der Spur liegenden Future-Danny Brown erinnert, und The Ills dagegen als nostalgisch Revue in Schwarz/Weiß veraschiedet. In seinen besten Momenten lässt Melt My Eyez See Your Future eben nicht nur die stilistischen Grenzen verschwimmen, sondern funktioniert (ohne ikonische Klassiker-Ansprüche zu stellen) auf nonchalant aus dem Ärmel geschüttelte Weise auch gewissermaßen zeitlos.
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